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Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatskirchenrecht und Kirchenrecht

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Tagung – Das Gewissen in den Rechtslehren der protestantischen und katholischen Reformationen

The Conscience in the Legal Teachings of the Protestant and Catholic Reformations

Tagung vom 3. bis 6. April 2014 in Wittenberg

Thema

Diese Tagung ist der zweite Teil einer Kooperation zwischen der Stiftung Leucorea – Stiftung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg –, der Katholischen Universität Leuven und der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden auf der Plattform „Refo500“ (siehe http://www.refo500.nl   ). Die erste Tagung hat unter dem Titel „Law and Religion: The Legal Teachings of the Protestant and Catholic Reformations“ vom 7. bis 9. Mai 2012 an der Universität Leuven stattgefunden. Sie wird in einem Tagungsband doku­mentiert, der in Vorbereitung ist und bis zur Folgetagung erscheinen wird.

Die Folgetagung in Wittenberg soll die Untersuchung darüber fortsetzen, welche Be­deutung den religiösen Reformbewegungen ab dem 16. Jahrhundert für die moderne Rechtsentwicklung zukommt. Sie geht damit in einer Fragerichtung weiter, die bereits die Tagung in Leuven bestimmt hat und sich ursprünglich einer Anregung Harold J. Bermans verdankt: „A book remains to be written on the similarities and differences between the legal writings of the Spanish ‘late scholastics’, as they are sometimes called, and those of the German ‘early Biblicists’, if one may call them that.“ (Law and Revolution, II: The Impact of the Protestant Reformations on the Western Legal Tradi­tion, Cambridge, Mass., Harvard University Press, 2003, p. 70).

Mit der ersten Tagung hat die Arbeit an dem von Berman formulierten Forschungspro­gramm erst begonnen. Um sie sinnvoll fortzusetzen, wird ihr methodischer Ansatz weiterverfolgt, aber nunmehr vertiefend auf einen spezifischen Gegenstand gerichtet.

Mit Blick auf die Methode heißt dies: Die oft separat betriebenen Forschungen über die Traditionsbildung in und nach den Lehren lutherischer, calvinischer und römisch-katho­lischer Theologen und Juristen des 16., 17. und frühen 18. Jahrhunderts sollen verglei­chend zusammengeführt werden. Insbesondere gilt es der Frage nachzugehen, inwie­fern die konfessionell geprägten Rechtslehren miteinander in Wechselwirkung standen.

Dabei soll jetzt in gegenständlicher Hinsicht der Blick gebündelt werden: Nachdem die Tagung 2012 in Leuven sich auf ein breites Spektrum von Gegenständen erstreckt hat – unter anderem auf die Lehren vom Strafrecht, Kirchenrecht, Naturrecht und Eherecht –, soll die Tagung 2014 in Wittenberg die Rechtslehren nunmehr unter einem spezifi­schen, gemeinsamen Gesichtspunkt auf Wechselwirkungen untersuchen: Als diesen Gesichtspunkt wählt sie den Status des Gewissens in den Rechtslehren, also die Frage, welche Rolle die in allen Konfessionen aktuelle Berufung auf das Gewissen für das Recht spielte. In den Diskussionen in Leuven 2012 hat sich gezeigt, daß dieser Zugriff über einen zentralen Punkt der konfessionspolitischen, rechtstheoretischen und anthropologischen Begegnungsfelder neue Aufschlüsse über die leitende Frage nach den Wechselwirkungen zwischen den Rechtslehren der Reformationen verspricht.

Das Gewissen ist ein Problem, das die Rechtslehre mit der Theologie und Philosophie verbindet. Alle drei Disziplinen begegnen, indem sie sich um die Theorie und Praxis der Regulierung menschlichen Handelns bemühen, dem Gewissen als innerer Beurteilungs- und Steuerungsinstanz des menschlichen Handelns. Dabei entwickeln und diskutieren sie Konzepte von Wesen und Funktion des Gewissens, die davon handeln, ob, wie und warum es von außen zu erreichen ist und wie es sich nach außen, also in die soziale Interaktion hinein vermittelt. Von diesen Konzepten hängt zumindest für die Rechts­lehre ab, ob und wie die soziale Außenwelt in Gestalt normativer Kriterien auf die Inanspruchnahme des Gewissens reagieren kann. Dabei setzt sich die Rechtslehre not­wendig zu den Gewissenskonzepten der Theologie und Philosophie ins Verhältnis und trifft dort wiederum auf eine Auseinandersetzung mit juristischen Theoriefiguren, die insbesondere im kanonischen Recht des Mittelalters entwickelt und von ihm her tra­diert und rezipiert wurden.

Wenn man voraussetzen kann, daß die konfessionelle Differenzierung der Theologie im Gefolge der Reformation eine konfessionelle Differenzierung der theologischen Kon­zepte vom Gewissen mit sich brachte, dann mußten sich die reformatorischen und nachreformatorischen Rechtslehren auch zu den konfessionellen Differenzen dieser Konzepte vom Gewissen verhalten. Eben hier setzt die Tagungsidee an.

Dazu sollen die Tagungsbeiträge repräsentative Positionen der Rechtslehren des 16., 17. und frühen 18. Jahrhunderts etwa mit Fragen wie diesen analysieren: Wie – das heißt vermittelt über welche Transformationen – gelangten die konfessionellen Gewis­senskonzepte in die Rechtslehren? Welche theoretischen und praktischen Effekte erga­ben sich daraus? Wirkten sich die konfessionellen Differenzen darin aus, wie die Rechtslehren mit dem Gewissen umgingen? Wurden unterschiedliche Erfahrungen wirksam, die die Konfessionsparteien mit der Berufung auf das Gewissen in den ver­schiedenen historisch-politischen Situationen gemacht haben? Lassen die Rechtslehren eine explizite oder implizite Auseinandersetzung mit konfessionellen Differenzen im Umgang mit dem Gewissen erkennen? Gibt es Parallelen oder Konvergenzen im recht­lichen Status des Gewissens? Wie sind solche Parallelen oder Konvergenzen in die Vor­geschichte der modernen Verständnisse von Toleranz und Gewissensfreiheit einzuord­nen? Ziel der Tagung ist es, aus der vergleichenden Analyse dieser Fragen Schlüsse auf die Wirkungsgeschichte der Reformation(en) zu ziehen.

Für die Tagung haben 25 fachlich anerkannte Referenten aus Deutschland, Italien, Bel­gien, den Niederlanden, der Schweiz und den USA zugesagt, davon haben 8 bereits an der Tagung 2012 in Leuven mitgewirkt. Ihre Vortragsprojekte umfassen die im Ta­gungsprogramm im einzelnen aufgeführten, nach ihren inhaltlichen Bezügen gruppier­ten und erläuterten Themen zu Rechtskonzepten des Gewissens sowie zu ihrer Umset­zung in den Lehren vom Öffentlichen Recht und vom Kirchenrecht aus theologie‑, rechts- und philosophiegeschichtlichen Perspektiven. Die Untersuchung von Wechsel­wirkungen der nachreformatorischen Rechtslehren setzt voraus, daß zunächst deren Kontinuitäten und Diskontinuitäten mit den scholastischen und humanistischen Kon­zepten des Gewissens schärfer in den Blick genommen werden. Von daher können die nachtridentinische Moraltheologie, die Herausbildung einer calvinistischen Tradition und die langwirkenden Paradigmen der Naturrechtslehre am spezifischen Kriterium des Gewissensproblems produktiv zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Der jeweilige Status des Gewissensproblems konkretisiert sich in den Fragen nach der Aktualisierung des Gewissens im Widerstandsrecht und im ius belli, aber auch in den rechtstheoreti­schen Reflexionen des Verhältnisses zwischen dem Gesetzesrecht und der vom Richter erwarteten Gerechtigkeit in der Rechtsanwendung.

Tagungssprachen sind Englisch und Deutsch.

Tagungsort: Stiftung Leucorea, Collegienstraße 62, 06886 Lutherstadt Wittenberg

Programm

Ausführliches Programm mit Tagungsablauf und Abstracts:
Wittenberg20140403-06_Programm-u-Anmeldeformular_20131205.pdf (287,5 KB)  vom 05.12.2013

I. Rechtskonzepte des Gewissens

  • Nimis conscienciosus – Das Gewissen als handlungsleitende Instanz im Großen Abendländischen Schisma (Dr. Kerstin Hitzbleck)
  • Äußere Norm und innere Urteilsinstanz bei Erasmus von Rotterdam: Die humanistische Respublica Christiana zwischen ‚ratio‘, ‚conscientia‘ und staatlicher Gesetzgebung (Judith Pfeiffer, M. A.)
  • Willenfreiheit und Gewissen bei Luis de Molina (Prof. Dr. Matthias Kaufmann)
  • Die Abgrenzung zwischen forum internum und forum externum in der frühen Neuzeit (Dr. Harald Maihold)
  • Die  Umwandlung der Begriffe „Gewissensforum“ und „Gewissensrecht“ in der  niederländischen und englischen reformierten Tradition des 17. Jhs.  (Prof. Dr. Wim Decock)
  • Das Gewissen des Staatsdieners.  Problemstellungen im politischen Trauerspiel des 17. Jahrhunderts (Prof.  Dr. Friedrich Vollhardt)
  • A Window to the Freedom of Conscience (Dr. Tom Hage)
  • Die  Kontextualität des Gewissens in einigen Traktaten der theologischen und  philosophischen Ethik der frühen Neuzeit (Prof. Dr. Walter Sparn)
  • Das  Gewissen in der praktischen Philosophie der Frühaufklärung. Begründung  und Funktion moralischer (Selbst‑)Steuerung (Dr. Frank Grunert)

II. Das Gewissen in den Lehren vom Öffentlichen Recht

  • Die Bedeutung des Gewissens für den Augsburger Religionsfrieden 1555 (Prof. Dr. Heinrich de Wall)
  • Conscience, Toleration and the Right of Resistance in late Sixteenth-Century Debates on Sovereignty: Albericus Gentilis and Francisco Suárez (Dr. Massimiliano Traversino)
  • Das Gewissen als „Gericht“ über Gehorsam, Ungehorsam und Widerstand (Prof. Angela De Benedictis)
  • Gewissen und staatliches Recht im Öffentlichen Recht der Frühen Neuzeit (Dr. Lucia Bianchin)
  • A  Lutheran Reception of Bodin’s Theory of Justice: Equity, Conscience and  Law in Johann Angelius Werdenhagen’s „Synopsis“ (1638) (Prof. Dr. Diego  Quaglioni)

III. Gewissen und Gericht (1)

  • The English court of Chancery as a „court of conscience“ (Prof. Richard Helmholz)

IV. Das Gewissen in den Lehren vom Recht des Krieges

  • Gewissen und Kriegsrecht in der theologischen Literatur des sechzehnten Jahrhunderts (Prof. Dr. Merio Scattola)
  • Der „gewissenlose“ Fürst in der lutherischen Kritik des Dreißigjährigen Krieges (Prof. Dr. Robert von Friedeburg)
  • Ius belli ac pacis protestantium (Prof. Dr. Mathias Schmoeckel)

V. Gewissen und Revolution

  • Die französische Debatte um die Gewissensfreiheit im Vorfeld der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen von 1789 (Dr. Isabelle Deflers)

VI. Das Gewissen in den Lehren vom Kirchenrecht

  • Conscience and Law in Early Modern Calvinism (Prof. Dr. Herman J. Selderhuis)
  • Church Discipline and the Limits of Conscience: Excommunication in Theory and Practice the Era of the Reformation (Dr. Jordan J. Ballor)
  • Die conversio als Gewissensphänomen und ihre Aufnahme in Rechtstexten (Dr. Judith Becker)
  • Das Gewissen in der protestantischen Kirchenrechtslehre an der Universität Halle zu Beginn des 18. Jahrhunderts (Prof. Dr. Michael Germann)

VII. Gewissen und Gericht (2)

  • „Richtergewissen“ im Kernland der lutherischen Reformation (Kursachsen) im 16. Jh. (Prof. Dr. Heiner Lück)

Anmeldung

Das Anmeldeformular läßt sich am besten im Adobe Reader oder einem anderen PDF-Viewer  ausfüllen. Im Formular ist eine Schaltfläche zum Versenden der Anmeldedaten integriert. Bei technischen Schwierigkeiten können die  Angaben selbstverständlich auch formlos an die geschickt werden.

Programm und Anmeldeformular (zum Ausfüllen am Bildschirm)
Wittenberg20140403-06_Programm-u-Anmeldeformular_20131205.pdf (287,5 KB)  vom 05.12.2013

Anmeldeformular (zum Ausdrucken und Ausfüllen auf Papier)
Wittenberg20140403-06_Anmeldeformular-P.pdf (29,4 KB)  vom 05.12.2013

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