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Leitsätze zur Subsumtionstechnik
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(85,9 KB) vom 21.02.2010
Häufig gestellte Fragen zur Klausurtechnik, insbesondere im Öffentlichen Recht
Häufig gestellte oder zu wenig gestellte Fragen
- Verwaltungsrecht
- Verwaltungsprozeßrecht
- Zweigliedriger Prüfungsaufbau „I. Zulässigkeit, II. Begründetheit“ oder dreigliedriger Prüfungsaufbau „I. Verwaltungsrechtsweg, II. Zulässigkeit, III. Begründetheit“?
- Rechtsweg: Muß ich § 40 VwGO von „Sonderzuweisungen“ abgrenzen? Wie war das nochmal mit dem „Auf“- und „Abdrängen“?
- Mit welchem Obersatz eröffne ich die Prüfung der Klageart?
- Welcher ist der richtige Beklagte nach § 78 VwGO?
- Was ist über die Prozeßfähigkeit juristischer Personen zu sagen?
- Subsumtionstechnik (nicht nur für das Öffentliche Recht)
- Klausurtechnik (nicht nur für das Öffentliche Recht)
- Der Korrektor hat eine Überschrift „Gutachten“ über mein Gutachten gesetzt. Was tun?
- Kann man sich bei Normzitaten die Angabe der Gesetzesbezeichnung ersparen?
- Wie bezeichne ich Absätze, Sätze, Nummern etc. richtig?
- Muß ich die Verweisnorm § 1 I 1 VwVfG LSA bei jedem darauf gestützten Normzitat des VwVfG angeben?
- Ist es in der Klausur erlaubt, Routinepunkte wegzulassen? Zum Beispiel...
- Hilfe! Hilfsgutachten – ja oder nein?
Verwaltungsrecht
„Ermächtigungsgrundlage“ oder „Ermächtigung“ oder „Befugnis“ oder „Rechtsgrundlage“?
1. „Befugnis“ ist gleichbedeutend mit „Ermächtigung zum Eingriff“ = „Eingriffsermächtigung“ = (gesetzliche) „Eingriffsgrundlage“.
a. Die damit bezeichnete Funktion einer Norm bezieht sich auf den Vorbehalt des Gesetzes für Rechtseingriffe: Rechtseingriffe bedürfen einer gesetzlichen Grundlage.
b. Eine Norm, die diese Funktion erfüllen soll, muß die ausführende Gewalt zum Rechtseingriff ermächtigen. So sind Befugnisse von Normen zu unterscheiden, die nicht zum Rechtseingriff ermächtigen, insbesondere von Aufgaben- und anderen Zuständigkeitsnormen.
c. Ein Rechtseingriff ohne gesetzliche Grundlage ist materiell rechtswidrig. Daher gehört die Prüfung einer Befugnis zur Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit eines Eingriffs, nämlich die Prüfung (a) daraufhin, daß zu den Rechtsfolgen der herangezogenen Norm die Ermächtigung zum Rechtseingriff gehört, und (b) daraufhin, daß der Tatbestand der Befugnis erfüllt ist.
2. „Ermächtigungsgrundlage“ ist ein allgemein verbreitetes, aber pleonastisches und überflüssiges Kunstwort, das wohl „Ermächtigung zum Eingriff“ und „Eingriffsgrundlage“ zusammenzieht. Es ist akzeptiert als Synonym für diese beiden Begriffe. Es ist aber verlustfrei durch sie ersetzbar. (Dem Wortsinn nach müßte man sich unter einer „Ermächtigungsgrundlage“eine Grundlage für eine Ermächtigung vorstellen, zum Beispiel eine Verordnungsermächtigung, die zur Regelung einer Eingriffsermächtigung ermächtigt.)
Wer Sprache beim Wort nimmt, sollte und kann das Wort „Ermächtigungsgrundlage“ vermeiden und z. B. einfach von „Befugnis“ sprechen.
3. „Rechtsgrundlage“ bezeichnet allgemeiner die Norm oder die Normen, welche das Handeln steuern, dessen Rechtsgrundlage sie sind. Die Funktion einer Ermächtigung zum Rechtseingriff ist mit „Rechtsgrundlage“ nicht notwendig bezeichnet. Zu den „Rechtsgrundlagen“gehören auch die Normen, welche Zuständigkeit, Verfahren und Form eines Verwaltungshandelns regeln. Deshalb ist es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungshandelns meist sinnvoll, vor die Prüfung auf formelle und materielle Rechtmäßigkeit eine Benennung und erforderlichenfalls Abgrenzung der „Rechtsgrundlage“ zu setzen, um den Maßstab für die formelle und materielle Rechtmäßigkeitsprüfung vorab zu klären. Hierfür kann die Benennung des anwendbaren Gesetzes genügen (zum Beispiel durch Subsumtion unter § 4 I SOG LSA) oder auch die Benennung einer Norm angebracht sein, die später in ihrer Funktion als Befugnisnorm angesprochen werden wird, aber auch Vorgaben für die Zuständigkeit, das Verfahren oder die Form enthält (zum Beispiel §§ 43, 44 SOG LSA).
4. Ein undifferenzierter Gebrauch aller dieser Begriffe ist in der Klausurbewertungspraxis unschädlich, wenn nur jeweils die sachlichen Unterscheidungen beachtet werden.
5. Verordnungsermächtigungen und Satzungsermächtigungen haben noch eine weitere Funktion: Sie berechtigen die ausführende Gewalt zum Gebrauch der Handlungsform, nämlich der Setzung von Rechtsnormen, also abstrakt-genereller Regelungen, die auf Außenwirkung gerichtet sind. Sie beziehen sich auf den Vorbehalt des Gesetzes für jegliche exekutive Rechtssetzung (unabhängig von ihrer Wirkung als Rechtseingriff). Siehe Art. 80 GG, Art. 79 Verf. LSA, § 8 I KVG LSA (im Vergleich zu § 11 KVG LSA, der für bestimmte eingreifende Regelungen dem Vorbehalt des Gesetzes für Rechtseingriffe Rechnung trägt). Wegen dieser Funktion ist es sinnvoll und üblich, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Verordnungen und Satzungen die Prüfung der Verordnungs- bzw. Satzungsermächtigung (zugleich in ihrer allgemeinen Funktion als Rechtsgrundlage) der Prüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit voranzustellen.
6. Daraus ergeben sich folgende Bausteine für den Prüfungsaufbau:
a. Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts:
(1) Rechtsgrundlage
(2) Formelle Rechtmäßigkeit
(3) Materielle Rechtmäßigkeit
(a) Befugnis
(b) Tatbestand der Befugnis
etc.
b. Rechtmäßigkeit einer Verordnung bzw. Satzung:
(1) Verordnungsermächtigung bzw. Satzungsermächtigung
(2) Formelle Rechtmäßigkeit
(3) Materielle Rechtmäßigkeit
(a) Tatbestand der Verordnungs- bzw. Satzungsermächtigung
etc.
c. Aufbauvarianten können in bezug auf die hier empfohlene Einordnung grundsätzlich mit Toleranz rechnen.
Verwaltungsprozeßrecht
Zweigliedriger Prüfungsaufbau „I. Zulässigkeit, II. Begründetheit“ oder dreigliedriger Prüfungsaufbau „I. Verwaltungsrechtsweg, II. Zulässigkeit, III. Begründetheit“?
Die dreigliedrige Variante kam auf, nachdem § 17a GVG die
Rechtswegverweisung von Amts wegen eingeführt hatte. Seitdem kann eine
Klage nicht als unzulässig abgewiesen werden, wenn sie auf dem falschen
Rechtsweg erhoben worden ist. Wenn „Zulässigkeit“ also die
Sachentscheidungsvoraussetzungen meint, dann scheint der
Verwaltungsrechtsweg nicht dazuzugehören. Das gleiche müßte allerdings
auch für die Zuständigkeit des Gerichts gelten (siehe § 83 VwGO). So
wird es mitunter auch gehandhabt (siehe JA 2001, 41). Das ist aber
unnötig kompliziert. Denken Sie nur daran, daß die örtliche
Zuständigkeit ja von der Klageart abhängt - also erst nach der Zuordnung
zur Klageart geprüft werden kann (deren „Statthaftigkeit“ übrigens
selbst ebenfalls keine Zulässigkeitsvoraussetzung ist, sondern nur
besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen nach sich zieht; der
Verwaltungsrechtsschutz ist ja nicht mehr an eine Enumeration von
Klagetypen gebunden, sondern unterliegt der Generalklausel). Es gibt
zudem Stimmen, die mit guten Gründen den Begriff der Zulässigkeit auch
auf die Voraussetzungen beziehen, die u. U. vom Gericht erst hergestellt
werden müssen, eben durch Verweisung von Amts wegen. Das ist überzeugend. Daher empfehlen wir die zweigliedrige Variante, die auch unserer Lehr- und Prüfungspraxis entspricht.
Rechtsweg: Muß ich § 40 VwGO von „Sonderzuweisungen“ abgrenzen? Wie war das nochmal mit dem „Auf“- und „Abdrängen“?
Die leider weit verbreiteten, floskelhaft verwendeten Vorbehalte zugunsten „auf“- oder „abdrängender Sonderzuweisungen“ sind in dieser Form nicht zu empfehlen.
- Wissen Sie, was Sie mit diesen Floskeln meinen? Wenn sie nur auswendig gelernt sind, sollten Sie mißtrauisch sein!
- Wenn Sie sich klarmachen, daß es um spezielle Rechtswegzuweisungen geht, dann brauchen Sie nichts weiter zu lernen: Gehen Sie einfach nach der allgemeinen Kollisionsregel „lex specialis derogat legi generali“ vor: Die Spezialnorm verdrängt § 40 I 1 VwGO. Den Begriff „Sonderzuweisung“ können Sie jetzt vergessen.
- Schreiben Sie etwa bei jeder Norm, die Sie anwenden, einen Vorbehalt zugunsten spezieller Normen in Ihren Obersatz? Hoffentlich nicht. Sie fragen nur dann ausdrücklich nach einer Spezialnorm, wenn Sie das Verhältnis zu einer bestimmten Norm zu klären haben. So sollten Sie es auch bei § 40 I 1 VwGO halten. Merke: Wenn Sie einfach unter § 40 I 1 VwGO subsumieren, fehlt grundsätzlich nichts.
- § 40 I 1 und 2 VwGO enthält ausdrücklich einen Vorbehalt zugunsten spezieller Normen, die eine Streitigkeit einem anderen Gericht (meint: Rechtsweg) zuweisen. Der einzige Sinn dieses Vorbehalts (angesichts der allgemeinen Kollisionsregel) besteht darin, die Regelungsmöglichkeit für den Landesgesetzgeber (S. 2) zu definieren (lesen Sie hierfür Art. 74 I Nr. 1, Art. 72 I GG!). Wenn es eine Spezialregelung gibt, müssen Sie darauf eingehen. Wenn es keine Spezialregelung gibt, sollte der Korrektor Ihr Schweigen verstehen wie sonst auch.
- Verwechseln Sie manchmal „auf“- und „abdrängend“, und können Sie sich einfach nicht merken, was vor und was nach der Subsumtion unter § 40 I 1 VwGO erwartet wird? Kein Wunder! Diese Verteilung entbehrt nämlich der normativen Logik. Die Unterscheidung zwischen „auf“ und „ab“ ist eine rein deskriptive Unterscheidung, die für die Spezialität egal ist („aufgedrängt“ wird eine Streitigkeit, die nicht die Merkmale des § 40 I 1 VwGO erfüllt, aber durch Gesetz trotzdem dem Verwaltungsrechtsweg zugewiesen wird; „abgedrängt“ wird eine Streitigkeit, die die Merkmale des § 40 I 1 VwGO erfüllt, aber durch Gesetz trotzdem einem anderen Rechtsweg zugewiesen wird). Beides ist einfach eine Spezialnorm. Von Spezialnormen grenzen Sie wie sonst auch vor der Subsumtion unter die Generalnorm ab, also immer (egal ob „auf“ oder „ab“) vor der Subsumtion der Streitigkeit unter „öffentlich-rechtliche Streitigkeit“ etc. – wenn überhaupt (s. 3.–4.).
- Die Erfahrung zeigt, daß die undurchdachte Reproduktion der genannten Floskeln nicht nur überflüssig ist, sondern auch die Aufmerksamkeit für die Fälle lähmt, in denen tatsächlich einmal die Diskussion einer speziellen Rechtswegzuweisung veranlaßt ist. Wichtiges Beispiel: § 23 EGGVG bei polizeilichem Handeln im Hinblick auf die Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Schnell schreibt die Hand die auf-und-ab-Floskel wie immer automatisch hin, ohne daß der Gedanke an den ordentlichen Rechtsweg für Maßnahmen der Strafverfolgung in den Kopf gelangt. So gehen Punkte verloren.
Mit welchem Obersatz eröffne ich die Prüfung der Klageart?
Sie bilden den Obersatz wie jeden Obersatz aus Rechtsfolge (hier: Statthaftigkeit einer Klageart) und Tatbestand (Merkmale dieser Klageart). Für die gesetzlich vertypten Klagearten ergibt sich das unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut:
- „Mit der Anfechtungsklage kann der Kläger die Anfechtung eines Verwaltungsakts begehren, § 42 I Var. 1 VwGO.“ = „Statthafte Klageart ist gemäß § 42 I Var. 1 VwGO die Anfechtungsklage, wenn der Kläger die Anfechtung eines Verwaltungsakts begehrt.“
- „Statthaft ist gemäß § 42 I Var. 2 VwGO die Verpflichtungsklage, wenn der Kläger den Erlaß eines Verwaltungsakts begehrt.“
- „Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 I VwGO statthaft, wenn der Kläger die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt.“
Hinweise:
1. Die Formulierungen sind nicht starr festgelegt, sondern es gibt – wie immer – mehrere gleichwertige Formulierungsvarianten. Entscheidend ist, daß der Obersatz die Klageart mit ihren Voraussetzungen verknüpft und die Norm nennt, die dies regelt.
2. Wenn sich Ihr Obersatz aus einer ausdrücklichen Regelung ergibt, geben Sie unbedingt die Norm an (wie immer).
3. Der Kläger kann aus dem Sachverhalt eingesetzt werden.
4. Bei gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Klagearten ergeben sich die Voraussetzungen meist ohne großen Aufwand aus einer Abgrenzung von den Merkmalen der gesetzlich geregelten Klagearten.
5. Den Obersatz können Sie (wie so oft) erst sinnvoll wählen, nachdem Sie sich überlegt haben, was sich aus der Prüfung ergeben wird. Manchmal bietet es sich an, zunächst von einer Klageart abzugrenzen, deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Bsp.: Bevor Sie eine „erweiterte Fortsetzungsfeststellungsklage“ unter § 113 I 4 VwGO in analoger Anwendung subsumieren, kann ein Ansatz bei § 42 I Var. 1 VwGO (Anfechtungsklage) sinnvoll sein; zur Begründung einer Regelungslücke für die Analogie ist eine Abgrenzung von § 43 I VwGO erforderlich (sie wird kaum gelingen, daher überzeugt die analoge Anwendung des § 113 I 4 VwGO nicht, wenngleich sie weit verbreitet und deshalb leider „vertretbar“ ist). – Oft gibt auch die Aufgabe schon eine Klageart vor, unter deren Voraussetzungen dann zu subsumieren ist.
6. Ein ordentlicher Obersatz macht es Ihnen leicht, die Voraussetzungen nach den einzelnen Merkmalen aufzugliedern, zum Beispiel „Aufhebung“ und „Verwaltungsakt“. So erkennen Sie ggf. auch die Probleme.
7. Die Klageart richtet sich NICHT nach dem Begehren des Klägers. Das Begehren des Klägers ist ein Stück Sachverhalt. Die Klageart ist die hier gefragte Rechtsfolge. Würden Sie irgendwo schreiben, daß sich die Rechtsfolge nach dem Sachverhalt richtet? „Der Erfolg der Klage richtet sich nach dem Sachverhalt“? „Der Vertragsschluß richtet sich nach Angebot und Annahme“? „Die Strafbarkeit richtet sich nach der Tat“? Niemals. Ebensowenig sollten Sie so etwas anstelle eines Obersatzes zur Klageart schreiben. Natürlich kommt es für die Rechtsfolge auf den Sachverhalt an. Aber die Rechtsfolge richtet sich nach dem Gesetz, das heißt: nach der Subsumtion des Sachverhalts unter das Gesetz. Die Klageart richtet sich nach der Subsumtion des Klägerbegehrens unter die gesetzlichen Regelungen über die Klageart. Die Bestimmung und Auslegung des Klägerbegehrens gehört im juristischen Syllogismus zum Untersatz. Um die passende Norm für den Fall zu finden, ist es natürlich sinnvoll, sich vorher das Klägerbegehren klarzumachen (s. o. 3.). Das ist aber – wie alle Vorüberlegungen – nicht Teil des Gutachtens. Irgendwann muß dieser freundliche, aber ziemlich banale didaktische Hinweis auf eine sinnvolle Vorüberlegung sich verselbständigt haben und zu einem Tumor mutiert sein, der seitdem hartnäckig dem ganz normalen Obersatz den Platz wegnimmt. Das ist doppelt schädlich: Zum einen haben Sie so eine formale Schwäche in der Subsumtionstechnik, zum anderen übersehen Sie eventuelle Probleme (wie immer bei Schwächen in der Subsumtionstechnik). Das ist schon vielen Klausuren schlecht bekommen.
8. Die Klageart richtet sich auch NICHT nach § 88 VwGO oder § 86 VwGO. Die erstgenannte Vorschrift verbietet dem Gericht, über etwas anderes zu entscheiden als über das, was der Kläger begehrt, und stellt zugleich klar, daß das Klägerbegehren nicht an die Fassung des Antrags gebunden ist. § 86 III VwGO verpflichtet das Gericht, auf sachdienliche Anträge hinzuwirken; das werden Sie in einer Klausur schwerlich vorwegnehmen oder nachspielen können. Für die Subsumtion unter die Klageart kommt es auf § 86 oder § 88 VwGO nur an, wenn es Differenzen zwischen dem Klageantrag und einem „zweckmäßigen“ Begehren gibt. Die Auslegung des Klägerbegehrens und die Abgrenzung von nicht davon gedeckten Gegenständen ist subsumtionstechnisch ein Gedankenschritt im Untersatz der Subsumtion unter eine Klageart. Ohne besonderen Anlaß ist hierüber kein Wort zu verlieren. Die gedankenlose Nennung dieser Paragraphen anstelle der Norm, die die Klageart regelt, ist ein Fehler.
Welcher ist der richtige Beklagte nach § 78 VwGO?
Was heißt „richtiger Beklagter“?
Die Frage nach dem „richtigen Beklagten“ ist prozeßrechtlich ungenau. Es ist zu unterscheiden:
1. Ist der Beklagte das Rechtssubjekt, das durch den geltend gemachten Anspruch verpflichtet ist? Da geht es um die Passivlegitimation. Sie hängt vom materiellen Recht ab und ist eine Voraussetzung für die Begründetheit der Klage.
2. Ist der Beklagte das Rechtssubjekt, das den Prozeß gegen den geltend gemachten Anspruch zu führen befugt ist? Da geht es um die Passive Prozeßführungsbefugnis. Sie hängt vom Prozeßrecht ab (auch wenn sie insoweit in aller Regel dem materiellen Recht folgt) und ist eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage.
Die Passivlegitimation betrifft die „Passivseite“ des materiellen Anspruchs (nämlich die Seite des Verpflichteten), die Passive Prozeßführungsbefugnis betrifft die Passivseite des Prozeßrechtsverhältnisses (nämlich die Seite des Beklagten). Beides hat eine Entsprechung auf der „Aktivseite“: Die Aktivlegitimation hat, wer durch den materiellen Anspruch berechtigt ist; die Aktive Prozeßführungsbefugnis hat, wer dafür zuständig ist, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen.
Zur Veranschaulichung dieser Unterscheidung hilft am besten ein Blick auf eine Fallkonstellation aus dem Zivilrecht: K schließt einen Kaufvertrag mit V. Daraus hat K gegen V einen Anspruch auf Übereignung der verkauften Sache. Der Anspruch berechtigt K und verpflichtet V.
- Fall 1: K klagt auf Übereignung gegen V. K ist als Berechtigter aus dem Anspruch aktivlegitimiert, V ist als Verpflichteter passivlegitimiert. K ist auch dazu befugt, seinen eigenen Anspruch einzuklagen, also aktiv prozeßführungsbefugt. V ist dazu befugt, sich im Prozeß gegen den geltend gemachten Anspruch zu verteidigen, also passiv prozeßführungsbefugt. Die Klage ist insoweit zulässig und begründet.
- Fall 2: Ein Dritter D hat aus irgendwelchen Gründen ein Interesse daran, daß V die Sache an K übereignet. Weil K nichts unternimmt, erhebt D Klage gegen V auf Übereignung an K. Diese Klage wird keinen Erfolg haben. Der geltend gemachte Anspruch besteht zwar: V ist verpflichtet, die Sache an K zu übereignen. D verlangt auch nicht etwa Übereignung an sich selbst, sondern an K, der darauf ja einen Anspruch hat. Aber deshalb ist auch nur K dafür zuständig, den Anspruch einzuklagen; D ist dafür nicht zuständig: er ist nicht aktiv prozeßführungsbefugt. Die Klage ist unzulässig.
- Fall 3: K hat seinen Anspruch an D abzutreten versucht, die Abtretung ist aber aus irgendeinem Grund unwirksam. D klagt auf Übereignung gegen V. Nun einmal zuerst zur Zulässigkeit der Klage: Für eine Klage über einen Anspruch, der an D abgetreten worden ist – wie D es geltend macht –, ist D aktiv prozeßführungsbefugt. V ist wie in Fall 1 und 2 dazu befugt, sich gegen einen gegen ihn geltend gemachten Anspruch zu verteidigen: er ist insoweit passiv prozeßführungsbefugt. Die Klage ist insoweit zulässig. Für die Begründetheit kommt es zum einen auf die Passivlegitimation des V an: Sie besteht, denn V ist ja durch den geltend gemachten Anspruch verpflichtet. Zum anderen kommt es auf die Aktivlegitimation des D an: Sie fehlt, denn da die Abtretung unwirksam war, ist weiterhin nur K, nicht D aus dem Kaufvertrag berechtigt. V kann also erfolgreich einwenden, daß D nicht aktivlegitimiert ist. Die Klage ist unbegründet.
- Fall 4: Über das Vermögen des K ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Nach § 80 I InsO geht dadurch „das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über“. Dieser Übergang umfaßt auch die Prozeßführungsbefugnis hinsichtlich der zum Vermögen gehörenden Ansprüche. Eine Klage des K gegen V auf Übereignung ist ungeachtet dessen, daß der Übereignungsanspruch des K gegen den V vom Insolvenzverfahren materiellrechtlich unberührt bleibt, mangels aktiver Prozeßführungsbefugnis des K unzulässig. Nur der Insolvenzverwalter ist befugt, die Klage zu erheben. Er führt den Prozeß über fremdes Recht (des K) im eigenen Namen: ein Fall der Prozeßstandschaft.
- Fall 5: V ist beim Abschluß des Kaufvertrags von S vertreten worden. K meint irrig, S habe D vertreten und er habe deshalb einen Anspruch auf Übereignung gegen D. K klagt gegen D auf Übereignung. K ist aktiv prozeßführungsbefugt, um seinen Anspruch einzuklagen. Nach seinem Vorbringen ist D verpflichtet; D ist daher passiv prozeßführungsbefugt, um sich gegen den Anspruch zu wehren. Die Klage ist insoweit also zulässig. K ist auch aktivlegitimiert; der Anspruch aus dem Kaufvertrag steht ihm zu. Aber D kann erfolgreich einwenden, daß er nicht passivlegitimiert ist. Die Klage ist unbegründet.
Genau dieselben Kategorien begegnen uns im Verfassungs- und im Verwaltungsprozeßrecht.
Die aktive Prozeßführungsbefugnis ist
- ein Element der Klagebefugnis nach § 42 II VwGO,
- ein Element der Antragsbefugnis im Eilrechtsschutz nach § 123 I VwGO (die davon abhängig ist, daß der Antragsteller einen eigenen Anordnungsanspruch glaubhaft machen kann),
- ein Element der Beschwerdebefugnis im Verfassungsbeschwerdeverfahren nach § 90 I BVerfGG (die davon abhängig ist, daß der Beschwerdeführer geltend machen kann, „selbst“ betroffen zu sein) und
- ein Element der Antragsbefugnis im Organstreitverfahren (§ 64 I BVerfGG: „daß er“ etc.) sowie Bund-Länder-Streit (§ 69 i. V. m. § 64 I BVerfGG)
- u. s. w.
Ein Beispiel für eine Prozeßstandschaft aus dem Verfassungsprozeßrecht ist § 64 I BVerfGG mit der Möglichkeit, daß ein Organteil Rechte „des Organs“ geltend macht, „dem es angehört“: So kann eine Fraktion im eigenen Namen ein Recht des Bundestages (dessen Mehrheit dies womöglich gar nicht will) gegenüber der Bundesregierung geltend machen. Sie ist aktiv prozeßführungsbefugt für die Durchsetzung der Rechte des Bundestages.
Was regelt § 78 VwGO?
§ 78 VwGO regelt die passive Prozeßführungsbefugnis bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen.
Ein ungenauer Umgang mit den dargestellten Kategorien hat sich eingeredet, § 78 VwGO als Regelung der Passivlegitimation lesen zu können. Dazu muß man übersehen haben, daß die Passivlegitimation vom materiellen Recht abhängt und die VwGO das Prozeßrecht regelt. Selbst wenn der Gesetzgeber es wollte, könnte er keine Regelung über die Passivlegitimation treffen: Denn es ist der Bundesgesetzgeber, und der kann auf seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 I Nr. 1 GG nur Regelungen über „das gerichtliche Verfahren“ stützen. Das schließt eine Regelung über die Passivlegitimation im Anwendungsbereich des Landesrechts – auf den sich die VwGO ja auch erstreckt – aus.
Stattdessen regelt § 78 VwGO die passive Prozeßführungsbefugnis:
Auf der Passivseite einer Anfechtungsklage ist gemäß § 78 I Nr. 1 Var. 1 VwGO der Träger der Behörde prozeßführungsbefugt, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, auf der Passivseite einer Verpflichtungsklage gemäß § 78 I Nr. 1 Var. 2 VwGO der Träger der Behörde, von der der Erlaß eines Verwaltungsakts begehrt wird. Diese Regelung zeichnet die materielle Rechtslage nach, in der das Handeln einer (nichtrechtsfähigen) Behörde und die darauf bezogenen Rechte und Pflichten dem (rechtsfähigen) Träger der Behörde zuzurechnen sind (Rechtsträgerprinzip). Damit sich der Kläger nicht mit den verwaltungsorganisationsrechtlichen Verhältnissen herumschlagen muß, läßt § 78 I Nr. 1 VwGO der Einfachheit halber für die Bezeichnung des Rechtsträgers in der Klageschrift schon die Bezeichnung der Behörde gelten. § 78 II VwGO setzt bei erstmaliger Beschwer in einem Widerspruchsbescheid die Widerspruchsbehörde als Ausgangsbehörde ein.
Leider erlaubt § 78 I Nr. 2 VwGO es den Landesgesetzgebern, von dieser einfachen, den materiellen Rechtsverhältnissen folgenden Zuordnung der passiven Prozeßführungsbefugnis abzuweichen und die Behörde selbst für passiv prozeßführungsbefugt zu erklären. Eine solche Regelung ordnet die Prozeßstandschaft der Behörde für ihren Träger an. Vielleicht war bei Erlaß der Verwaltungsgerichtsordnung das Recht einiger Bundesländer noch hinter der Unterscheidung zwischen nichtrechtsfähigen Behörden und ihren rechtsfähigen Trägern zurückgeblieben, und dieser unordentliche Zustand wurde womöglich mit einer berücksichtigenswerten Tradition verwechselt. Jedenfalls nimmt § 78 I Nr. 2 VwGO, wie § 61 Nr. 3 VwGO für die Beteiligtenfähigkeit, darauf Rücksicht.
Was regelt § 8 S. 2 AGVwGO LSA?
Aus unerfindlichen Gründen hat sich der Landesgesetzgeber in Sachsen-Anhalt entschlossen, sich eine solche Extratour zu leisten. Um seine Caprice auf die Spitze zu treiben, unterscheidet er dabei zwischen Landesbehörden und anderen Behörden: Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen, die den Verwaltungsakt einer Landesbehörde zum Gegenstand haben, sind nicht gegen das Land (wie es der materiellen Rechtslage entspräche), sondern gegen die Landesbehörde zu richten, § 8 S. 2 AGVwGO LSA. Bei allen anderen Behörden bleibt es bei der normalen Regelung in § 78 I Nr. 1 VwGO.
Wie gehe ich in der Klausur damit um?
Es ist ganz einfach, es gibt keine Zweifelsfälle und keine Auslegungsprobleme. Man muß nur ganz geradlinig vorgehen:
1. Sie vergewissern sich, ob Sie gerade eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage prüfen. Wenn nicht, wenden Sie § 78 I Nr. 1 VwGO analog an: passiv prozeßführungsbefugt ist immer der Rechtsträger: das Land, die Gemeinde, der Landkreis oder die andere juristische Person des öffentlichen Rechts, um deren Pflichten es geht.
2. Bei einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage stellen Sie als nächstes fest, welche Behörde den Verwaltungsakt erlassen hat (bei der Anfechtungsklage) oder nach dem Vorbringen des Klägers zu erlassen verpflichtet ist (bei der Verpflichtungsklage).
3. Machen Sie sich klar, welchem Rechtsträger diese Behörde zugehört. Der Rechtsträger ist immer die juristische Person des öffentlichen Rechts, für die die Behörde handelt.
- Das ist leicht zu bestimmen, manchmal aus dem Gesetz, manchmal aus der nötigen Kenntnis des Verwaltungsaufbaus: Polizeibehörde: Land (§ 76 I SOG LSA); Landesverwaltungsamt: Land; Landesministerien: Land; Gemeindeorgan oder ‑behörde: Gemeinde; Landkreisorgan oder ‑behörde: Landkreis; Stelle einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts: diese juristische Person des öffentlichen Rechts.
- In Sachsen-Anhalt gibt es keine regelmäßigen Abweichungen von dieser Zurechnung der Behörde zu ihrem Träger. In manchen anderen Bundesländern ist es anders. Dort kann es vorkommen, daß das Handeln einer Behörde je nach Aufgabe dem einen oder dem anderen Rechtsträger zuzurechnen ist, indem zum Beispiel das Landratsamt teils für den Landkreis, teils für das Land handelt. Das nennt man Organleihe. Eine solche Organleihe gibt es in Sachsen-Anhalt nicht. Das Landratsamt in Sachsen-Anhalt handelt ausnahmslos für den Landkreis, niemals für das Land. Der Gesetzgeber hat das nicht besonders klar ausgedrückt, und es gab vor einigen Jahren auch eine verirrte Entscheidung eines Gerichts, die das durcheinandergebracht hat, aber es gibt keinen Grund dafür, in einer Klausur zum Landesrecht Sachsen-Anhalts mit dem Gedanken an eine Organleihe zu spielen.
4. Wenn der Rechtsträger
- das Land Sachsen-Anhalt ist, schreiben Sie: „Passiv prozeßführungsbefugt ist gemäß § 78 I Nr. 2 VwGO, § 8 S. 2 AGVwGO LSA {hier setzen Sie die Bezeichnung der Landesbehörde ein} als die Landesbehörde, die {hier folgt die zur Klageart passende Variante des § 78 I Nr. 1 VwGO}.“ Beispiel: „Passiv prozeßführungsbefugt ist gemäß § 78 I Nr. 2 VwGO, § 8 S. 2 AGVwGO LSA das Landesverwaltungsamt als die Landesbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat.“
- nicht das Land ist, schreiben Sie: „Passiv prozeßführungsbefugt ist gemäß § 78 I Nr. 1 VwGO der Rechtsträger der Behörde, die {hier folgt die zur Klageart passende Variante des § 78 I Nr. 1 VwGO}, also {hier setzen Sie die Bezeichnung des Rechtsträgers ein}.“ Falls der Sachverhalt berichtet, daß der Kläger seine Klage gegen die Behörde gerichtet hat, fügen Sie hinzu: „Zur Bezeichnung genügt die Angabe der Behörde, § 78 I Nr. 1 VwGO a. E.“ Beispiel: „Passiv prozeßführungsbefugt ist gemäß § 78 I Nr. 1 VwGO der Rechtsträger der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, also die Gemeinde G.“
5. Lassen Sie sich nicht durcheinanderbringen. Denken Sie nicht um die Ecke. Es ist so einfach, wie es ist. Sonderfälle sind sehr selten und sofort als solche erkennbar (und lösbar). Normalerweise dürfen in einer Klausur die Schritte 1.–3. nicht mehr als 10 Sekunden dauern, Schritt 4. nur so lange, wie es nötig ist, um den einen Satz hinzuschreiben. Die übrigen 299 Minuten Ihrer Bearbeitungszeit im Examen sollten Sie für andere Dinge verwenden.
Was ist über die Prozeßfähigkeit juristischer Personen zu sagen?
Juristische Personen sind nicht prozeßfähig. An die Stelle der Prozeßfähigkeit tritt die gesetzliche Vertretung.
Der Fachausdruck „Prozeßfähigkeit“ findet sich in § 51 I ZPO und ist dort ausweislich des Wortlauts ein Gegenbegriff zur gesetzlichen Vertretung. Das gilt auch im Rahmen der Parallelvorschrift in § 62 VwGO, in der der Begriff „prozeßfähig“ nicht vorkommt, sondern nur umschrieben wird – und zwar eindeutig nur für natürliche Personen (§ 62 I VwGO). Damit ist die Verwendung des Begriffs „prozeßfähig“ für eine juristische Person ebenso falsch wie „volljährig“ oder „geschäftsfähig“. Die gesetzliche Vertretung (§ 62 III VwGO) stellt nicht etwa Prozeßfähigkeit her, sondern tritt an ihre Stelle: Für die (immer prozeßunfähige) juristische Person handelt ihr gesetzlicher Vertreter. Genau das ist es, was in der Klausur zu schreiben ist, z. B.: „Die klagende Gemeinde G wird durch ihren Bürgermeister vertreten, § 62 III VwGO, § 57 II GO LSA.“
Fehler in dieser Fachterminologie wiegen nicht unbedingt schwer, machen aber einen unprofessionellen Eindruck. Das wird auch dadurch nicht wesentlich gemildert, daß selbst Profis in ihrer Wortwahl manchmal schlampig sind und die gesetzlich vertretene Prozeßpartei beiläufig schon mal „prozeßfähig“ nennen (so z. B. der BGH in einer 55 Jahre alten, seitdem zitierten Solitärentscheidung, in der es um etwas ganz anderes ging) und daß manch ein sehr schlauer Exeget daraus prompt eine „a. A.“ in Szene setzt. Den korrigierenden Praktiker (z. B. einen Richter) können solche Abweichungen ganz schön nerven – und das gehört zu den Dingen, die wir vermeiden wollen.
Vor allem: Es ist nicht sinnvoll, sich seine beschränkten Kapazitäten mit solchen Hirngespinsten zu belasten. Der gerade Weg ist einfach richtig: „Prozeßfähig“ sind natürliche Personen, soweit sie geschäftsfähig sind. Alle anderen Personen (nämlich natürliche Personen, soweit sie nicht geschäftsfähig sind, sowie eben alle juristischen Personen) sind prozeßunfähig und werden im Prozeß – wie sonst auch – gesetzlich vertreten. Mehr müssen sie sich hierzu nicht merken.
Subsumtionstechnik (nicht nur für das Öffentliche Recht)
Kann ich irgendwo kurz und knapp nachlesen, worauf es beim Subsumieren ankommt?
Hierauf versuchen die Leitsätze zur Subsumtionstechnik eine positive Antwort zu geben.
Wann sind Obersätze entbehrlich?
Obersätze können weggelassen werden, sofern sie jedem Leser implizit bewußt sind.
Das gilt vor allem dort, wo schon der durch Gliederung oder Überschriften erkennbare Aufbau der Prüfungsschritte ein implizit bewußtes Gerüst von Obersätzen vergegenwärtigt.
Beispiele meist durch die Gliederung vergegenwärtigter Obersätze, die entbehrlich sein können:
- „Der Verwaltungsakt ist formell rechtmäßig, wenn die Behörde für seinen Erlaß zuständig ist und die Vorschriften über das Verfahren und gegebenenfalls die Form eingehalten hat.“
- „G hat gegen den S einen Anspruch aus Vertrag, wenn ein wirksamer Vertrag zwischen beiden geschlossen wurde und S keine Einwendungen geltend machen kann.“
- „T ist wegen seines (im Sachverhalt beschriebenen) Handelns nach § 242 StGB strafbar, wenn sein Handeln den objektiven und subjektiven Tatbestand dieser Norm verwirklichte und dabei rechtswidrig und schuldhaft war.“
Besonders im Strafrecht kann der durch Überschriften bezeichnete Prüfungsaufbau die dahinterstehenden Obersätze (s. das letzte Bsp.) implizieren.
Manche selbstverständlichen Obersätze haben allerdings trotz Selbstverständlichkeit einen Wert darin, daß sie den Gegenstand der Prüfung bewußt und explizit machen:
Bsp.: „Die Klage hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.“
Sind im Gutachten die Konjunktionen „da“ und „weil“ verboten?
Nein, natürlich nicht. Sie brauchen diese Konjunktionen ja, um einen Kausalsatz zu schreiben. Also tun Sie das, um einen Grund anzugeben. Nur auf die Reihenfolge sollten Sie im Gutachten aufpassen, um den Vorwurf zu vermeiden, daß Sie die Begründung dem Ergebnis nachfolgen lassen. Also schicken Sie den Kausalsatz (mit der Begründung) dem Hauptsatz (mit der zu begründenden Aussage) voran: „Weil der Prüfer einen richtigen Satz als Fehler gewertet hat, leidet die Bewertung an einem Mangel.“ – Manchmal ist auch im Gutachten die Vorordnung der Aussage vor der Begründung sinnvoll und unschädlich, vor allem in komplexen Argumentationen, die Teil eines Subsumtionsganges sind, ohne ihrerseits in einer eigenen Subsumtionsstruktur aufgebaut werden zu müssen. In solchen Fällen kann auch die Konjunktion „denn“ vorkommen, die in jedem Fall eine der Aussage folgende Begründung einleitet.
Zunächst, auch und überhaupt.
Oft fühlen sich Juristen bei der Darstellung von Subsumtionen bemüßigt, den Gedankengang im Erzählton zu gestalten. So ordne ich in den meisten Fällen die Verwendung von Wörtern wie „zunächst“, „auch“ und „überhaupt“ ein: Ihre einzige Funktion scheint darin zu bestehen, gefühlte Löcher im Textfluß zu füllen. Es sind überflüssige Füllwörter. Achten Sie mal darauf und probieren Sie aus, ob wirklich ein Loch im Sinn eines Gedankengangs entsteht, wenn Sie solche Füllwörter einfach weglassen.
- Das Adverb „zunächst“ sowie daran anschließende Adverbien wie „sodann“ und „schließlich“ wollen manchmal eine Aufzählung von Prüfungsschritten markieren. In vielen Fällen suggeriert so eine Aufzählung eine Rangfolge, die nicht der Sache entspricht. Denn ein mit „zunächst“ eingeleiteter Prüfungsschritt ist oft nicht „näher“ als andere Prüfungsschritte oder gar der „nächste“ unter allen, sondern steht schlicht irgendwo in der Reihe. Es ist meistens unnötig, Prüfungsschritte sprachlich zu gliedern. Sie versehen sie ja schon mit einer hierarchischen Numerierung an den Absätzen Ihres Textes. Ihre Systematik muß sich aus ihrer Logik ergeben. Ein juristischer Gedankengang braucht kein Öl zwischen den Gedanken, um vorwärtszukommen. Lassen Sie die Prüfungsschritte trocken aufeinander folgen. Probieren Sie wenigstens aus, ob sie so nicht straffer wirken.
- Das Adverb „auch“ drückt aus, daß eine Aussage einer anderen gleichsteht. Wenn es für eine Aussage verwendet wird, die nicht einer vorangehenden anderen Aussage gleichsteht, ist es ein Füllwort. Ein Beispiel: „Die Behörde ist zuständig. [...] Sie hat den X auch[?] angehört.“
- Wo auch immer das Adverb „überhaupt“ eingeflochten wird, ist es meist sehr unklar, was es aussagen soll. Es hat vielleicht eine entlastende Funktion, etwa wie: „keine Ahnung, wie sich diese Frage in den Prüfungszusammenhang einfügen soll, den schieben wir jetzt mal zur Seite und tun so, als hinge das ganze vor allem (‚überhaupt‘) an dieser einen Frage.“
Seien Sie zunächst aufmerksam auf die Verwendung dieser Wörter, dann merken Sie auch schon, ob sie überhaupt sinnvoll sind.
Klausurtechnik (nicht nur für das Öffentliche Recht)
Der Korrektor hat eine Überschrift „Gutachten“ über mein Gutachten gesetzt. Was tun?
Streichen Sie diese Ergänzung des Korrektors einfach durch. Kein Mensch braucht so eine Überschrift.
Kann man sich bei Normzitaten die Angabe der Gesetzesbezeichnung ersparen?
Nein. Zum Normzitat gehört zwingend die Bezeichnung des Gesetzes: „Art. 20 II 2 GG“, „§ 40 I 1 VwGO“, „§ 35 S. 1 VwVfG“ etc.
Anfänger bekommen anscheinend manchmal vermittelt, man könne sich das abkürzen durch eine Fußnote wie „Nachfolgende Artikel ohne Gesetzesangabe sind solche des Grundgesetzes, Paragraphen ohne nähere Bezeichnung sind solche des BVerfGG.“ Davon ist dringend abzuraten, und zwar aus mindestens drei Gründen:
1. Kosten: Es ist offensichtlich, daß diese Fußnote in der Klausur mehr Zeit, Tinte und Papier kostet als die wiederholte Angabe „GG“ etc.
2. Verwirrungs- und Fehlergefahr: In kaum einer Klausur ist nur auf ein einziges Gesetz Bezug zu nehmen. In den Anfängerklausuren zum Bürgerlichen Recht und zum Strafrecht mag es noch möglich sein, allein das BGB und das StGB zu zitieren. Daher kommt wahrscheinlich auch die genannte Unsitte. Spätestens nach der ersten Anfängerzeit wird es aber unübersichtlich. Der Leser einer Klausur muß sich dann ständig daran erinnern, für welches Gesetz die nackten Paragraphen stehen sollen (z. B. VwGO oder VwVfG?). Schlimmer: Sie selbst kommen durcheinander und laufen Gefahr, die Gesetzesbezeichnung bei einem Normzitat wegzulassen, für das Sie sich selbst gar nicht dispensiert haben. Dann wird es nicht nur unübersichtlich, sondern falsch. Um das zu vermeiden, verschwenden Sie Zeit und Aufmerksamkeit auf das ständige Erinnern daran, bei welchem Gesetz Sie sich die Bezeichnung ersparen wollten. Daher: Gewöhnen Sie sich das vollständige Normzitat an, und zwar gleich von der allerersten Anfängerklausur an.
3. Professionalität: In der juristischen Praxis kommt es nirgends und niemals vor, daß eine Norm ohne Gesetzesbezeichnung genannt wird. Es ist einfach unprofessionell und anfängerhaft.
Nutzen Sie zulässige Abkürzungsmöglichkeiten: Die meisten Gesetze haben inzwischen amtliche Abkürzungen. Sie sind kurz genug und allgemein wiederzuerkennen. Verwenden Sie sie. Für andere Gesetze, insbesondere für Normen, die der Sachverhalt erst einführt, verwenden Sie gegebenenfalls die im Sachverhalt vorgegebene Abkürzung. Ansonsten definieren Sie dafür eine eigene Abkürzung bei der ersten Nennung mit einem Klammerzusatz: „Antragsgegenstand ist das Gesetz über die Abschaffung des Mathematikunterrichts (MaAG).“
Nutzen Sie auch die kürzesten Möglichkeiten zur Bezeichnung von Absätzen etc. (s. u.: Wie bezeichne ich Absätze, Sätze, Nummern etc. richtig?).
Siehe aber auch unten: Muß ich die Verweisnorm § 1 I 1 VwVfG LSA bei jedem darauf gestützten Normzitat des VwVfG angeben?
Wie bezeichne ich Absätze, Sätze, Nummern etc. richtig?
Für die Absätze einer Vorschrift dürfen Sie römische Zahlen, für die Sätze eines so numerierten Absatzes einfache arabische Zahlen verwenden. Für Absätze ist in der juristischen Praxis zwar die Angabe „Abs.“ üblich, aber die Abkürzung in römischen Zahlen ist daneben ebenfalls bekannt genug. Sätze werden im Zweifel mit „S.“ gekennzeichnet, Ausnahme: Nach einer römischen Zahl für den Absatz kann die Zahl des Satzes ohne „S.“ angefügt werden, solange keine Verwechslungsgefahr besteht. Nummern bekommen immer „Nr.“ („Ziffern“ sind ja nur die einzelnen Zahlzeichen). Buchstaben-Numerierungen sind immer mit „Buchst.“ oder etwas gespreizt, aber kürzer „lit.“ (für lat. „litera“) zu bezeichnen; hier die Bezeichnung wegzulassen, brächte Verwechslungsgefahr mit Buchstaben bei später eingefügten Vorschriften (vergleiche etwa „Art. 73 I Nr. 9a GG“ mit „Art. 73 I Nr. 10 Buchst. a GG“).
Muß ich die Verweisnorm § 1 I 1 VwVfG LSA bei jedem darauf gestützten Normzitat des VwVfG angeben?
Seit die eigene Vollregelung des VwVfG LSA durch eine dynamische Verweisung in § 1 I 1 VwVfG LSA auf das VwVfG des Bundes ersetzt worden ist, lautet die vollständige Normangabe wie „§ 1 I 1 VwVfG LSA i. V. m. § 35 S. 1 VwVfG“. In Klausuren ist es aber zu tolerieren (und zu empfehlen), daß sie nur bei der ersten Nennung vollständig aufgeschrieben wird und danach nur noch die Bundesvorschrift genannt wird. Das kann man mit einem kurzen Klammerzusatz kenntlich machen: „§ 1 I 1 VwVfG LSA i. V. m. § 35 S. 1 VwVfG (i. f.: VwVfG)“.
Achten Sie jeweils übrigens auch auf die weiteren Regelungen des VwVfG LSA, die nicht von der dynamischen Verweisung erfaßt werden.
Ist es in der Klausur erlaubt, Routinepunkte wegzulassen? Zum Beispiel...
...in der Zulässigkeitsprüfung die allgemeinen Voraussetzungen wie §§ 61, 62, 81, 82 VwGO oder das Rechtsschutzbedürfnis?
Hierfür läßt sich keine allgemeine Regel sagen. Ich empfehle Ihnen, so heranzugehen:
1. Gibt es in der Aufgabe besondere Anhaltspunkte dafür, daß die betreffenden Voraussetzungen eine ausdrückliche Begutachtung verdienen? Bsp.: Ein Minderjähriger erhebt Klage (Prozeßfähigkeit?), ein nichtrechtsfähiger Verein wird verklagt (Beteiligtenfähigkeit?), die Klage wird per Fax erhoben (Schriftform?), der Beklagte bezweifelt das Rechtsschutzbedürfnis oder es drängt sich ein leichterer Weg zum Ziel auf.
Wenn ja: ordentlich subsumieren (was nicht viele Worte und nicht viel Zeit kosten muß!); bei hohem oder zweifelhaftem Zeitdruck steht das natürlich unter dem Vorbehalt einer Abwägung mit anderen wichtigen Prüfungspunkten.
Wenn nein:
2. Akuter, hoher Zeitdruck?
Bsp.: Es sind nur fünf Minuten bis zur Abgabe, und für die Antwort auf die Fallfrage wird es knapp.
Wenn ja: Routinepunkte weglassen. (Bis hier sollte Ihre Überlegung nicht mehr als einige Sekunden gekostet haben.)
Wenn zweifelhaft: aufschieben – beginnen Sie ein neues Blatt für die eindeutig unerläßlichen weiteren Prüfungen, und wenn Sie am Ende noch die Zeit haben, legen Sie ein Blatt mit diesen Punkten dazwischen (bei der Numerierung am Ende aufpassen).
Wenn nicht:
3. Gibt die Aufgabe überhaupt Informationen dazu?
Hier sind die verschiedenen Voraussetzungen wahrscheinlich unterschiedlich zu behandeln. Zur Beteiligtenfähigkeit läßt sich immer etwas sagen (und das kann juristisch richtig oder falsch oder interessant sein), zur Form der Klageerhebung läßt sich meist nichts aus dem Sachverhalt entnehmen (und die Bemerkung, daß sich dem Sachverhalt nichts zu entnehmen ist oder daß dies und das „zu unterstellen“ sei, langweilt den Korrektor einfach nur).
Wenn hier nur so ein leerer Satz zu schreiben wäre: weglassen, vielleicht zusammenfassend abhandeln: „Daran, daß die weiteren allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen, ist kein Zweifel veranlaßt.“ o. ä. (Bis hier sollte Ihre Überlegung nicht mehr als etwa eine Minute gedauert haben.)
Wenn der Punkt hingegen der Vollständigkeit halber eine Erwähnung verdient:
4. Der entsprechende Satz ist jedenfalls so schnell hingeschrieben, daß er die Zeiteinteilung sicherlich nicht beeinflussen kann. Etwas wie
„Die Beteiligtenfähigkeit von K und B ergibt sich aus § 61 Nr. 1 VwGO. K ist prozeßfähig nach § 62 I Nr. 1 VwGO, B wird gesetzlich vertreten durch ... gemäß § 62 III VwGO.“
kostet ein paar Sekunden zur Besinnung und zum Blättern und höchstens 2 Minuten zum Schreiben. Viel mehr sollte es nicht sein. Das kann man einfach einmal für einen Normalfall ausprobieren und üben.
Hilfe! Hilfsgutachten – ja oder nein?
Immer wieder wird gefragt, wann „man“ ein Hilfsgutachten schreibt, wenn die Prüfung einer Rechtsfrage zu einem Ergebnis führt, bevor das Prüfungsschema ganz abgearbeitet ist. Wie so oft geht die Frage nach dem, was „man“ zu tun hat, an der Sache vorbei. Wenn Sie sich diese Frage stellen, merken Sie sich vor allem: Alle Antworten, die Ihnen erklären, was „man“ zu tun hat, helfen Ihnen wahrscheinlich nicht weiter. Das ist auch sonst eine gute Faustregel.
Die folgenden Empfehlungen sind nicht speziell auf Klausuren im Öffentlichen Recht zugeschnitten, sondern gelten für Klausuren in allen Rechtsgebieten gleichermaßen.
Wozu Hilfsgutachten?
Denken Sie am besten von der Aufgabe her, ein Gutachten zu schreiben: Ihr Gutachten soll alle in der Aufgabe aufgeworfenen Rechtsfragen beantworten. Aufgeworfen ist natürlich in erster Linie die Fallfrage, die in der Aufgabe formuliert wird: Welche Ansprüche hat X gegen Y? Wie hat A sich strafbar gemacht? Wie wird das Verwaltungsgericht über die Klage des K entscheiden? Und so weiter. In zweiter Linie wirft die Aufgabe nachgeordnete Rechtsfragen auf, zum Beispiel: Ist der zunächst entstandene Anspruch des X gegen Y durch Erfüllung erloschen? Ist die Tat des A durch Notwehr gerechtfertigt? Ist der gegen K gerichtete Verwaltungsakt rechtswidrig? In der Regel sind die Aufgaben so angelegt, daß die Antwort auf die Fallfrage eine Antwort auf alle nachgeordneten Rechtsfragen voraussetzt. Ein Hilfsgutachten steht an, wenn die Antwort auf die Fallfrage feststeht, bevor alle in der Aufgabe aufgeworfenen Rechtsfragen beantwortet sind.
Darf oder muß ich ein Hilfsgutachten schreiben, obwohl es im Bearbeitervermerk nicht ausdrücklich verlangt ist?
Die Erforderlichkeit eines Hilfsgutachtens ist unabhängig davon, ob es in der Aufgabe ausdrücklich heißt, daß die aufgeworfenen Fragen „erforderlichenfalls in einem Hilfsgutachten“ zu erörtern sind. Sie ergibt sich auch ohne einen solchen Vermerk schon aus der Arbeitsform des Gutachtens. Der Vermerk kann allenfalls ein Hinweis darauf sein, daß der Aufgabensteller in bestimmten Lösungsvarianten mit der Erforderlichkeit eines Hilfsgutachtens rechnet. Aber das erspart es Ihnen natürlich nicht, Ihre Lösungsvariante mit oder ohne Hilfsgutachten selbst zu finden.
Entscheidend ist also zu erkennen, welche nachgeordneten Rechtsfragen durch die Aufgabe „aufgeworfen“ sind.
Woran erkenne ich, ob eine Rechtsfrage durch die Aufgabe „aufgeworfen“ ist?
Dafür gibt es mal wieder keine Faustformel.
1. Grundsätzlich sollten Sie alle Rechtsfragen, die im Sachverhalt ausdrücklich angesprochen sind und über die der Sachverhalt subsumierbare Tatsachen berichtet, im Gutachten abhandeln.
2. Im übrigen ist es eine Sache der Erfahrung, des Überblicks über die juristischen Zusammenhänge, vielleicht auch der Intuition und im übrigen des Geschmacks, welche im Gutachten erörtert werden sollten, obwohl es für die Beantwortung der Fallfrage nicht auf sie ankommt. Im Zweifel dürfen Sie mit einer wohlwollenden Toleranz des Korrektors rechnen: Erörterungen zu Fragen, die von der Aufgabe nicht unbedingt aufgeworfen sind, wird er gering gewichten. Halten Sie sich in der Klausur daher nicht lange mit einem solchen Zweifel auf.
3. Wichtig ist das Hilfsgutachten immer dann, wenn Ihr Lösungsweg wegen eines Fehlers oder wegen der Entscheidung einer vorausgehenen Rechtsfrage, mit der der Aufgabensteller nicht gerechnet hat, eine unvorhergesehene Abkürzung zum Ziel macht. Zum Beispiel: In der Zulässigkeitsprüfung über eine Verfassungsbeschwerde kommen Sie zum Ergebnis, daß die Beschwerdefrist nicht eingehalten worden ist. In dieser Situation können Sie nicht wissen, ob der Aufgabensteller mit diesem Ergebnis gerechnet hat oder ob er etwas übersehen hat oder ob Sie etwas übersehen haben. Wenn Sie auch beim zweiten Hinsehen nicht auf ein anderes Ergebnis kommen, erörtern Sie eben den Rest der aufgeworfenen Fragen in einem Hilfsgutachten. Das ist für niemanden ein Grund zur Aufregung.
Kann ich ein Hilfsgutachten vermeiden?
Bevor Sie sich für ein Hilfsgutachten entscheiden, sollten Sie Ihren Prüfungsaufbau noch einmal anschauen:
1. Vergewissern Sie sich, ob die an dieser Stelle nicht mehr entscheidungserhebliche Rechtsfrage an anderer Stelle Ihres Gutachtens noch vorkommt. In diesem Fall brauchen Sie sie ja nicht doppelt zu erörtern, und Sie können sich weitere Ausführungen an dieser Stelle sparen. Ein Beispiel: Gegen einen Verwaltungsakt erheben A und B Anfechtungsklage, die Klage des A ist unzulässig, die des B ist zulässig: Hier werden Sie alle aufgeworfenen Rechtsfragen in der Begründetheitsprüfung zur Klage des B erörtern können. Ein Hilfsgutachten zur Begründetheit der Klage des A wäre Zeitverschwendung für Sie und den Leser (was sich beides nicht günstig auf die Bewertung auswirkt).
2. Überlegen Sie, ob Sie Ihre Prüfung so anordnen können, daß die fallentscheidende Rechtsfrage erst nach den nicht (allein) fallentscheidenden Rechtsfragen angesprochen wird. Das ist oft möglich bei Rechtsfragen, die im Prüfungsaufbau gleichrangig sind. Aber achten Sie darauf, daß die Gewichte stimmen: Sie sollten nicht unbedingt vor einer offensichtlichen und einfachen Begründung für das Ergebnis die schwierigsten Abgrenzungen auftürmen, um es künstlich „spannend“ zu machen. Auch hier gibt es keine Faustformel und kommt es auf Erfahrung, Überblick und das berühmte „Judiz“ an.
3. Überlegen Sie, ob Sie die nicht mehr entscheidungserhebliche Rechtsfrage in einer Hilfsbegründung erörtern können. Das ist bei gleichrangigen Rechtsfragen oft möglich und erspart ein gedankliches Umschalten zwischen Lösungsvarianten. Eine Hilfsbegründung leiten Sie mit einem Satz ein, der nur die Redundanz der Begründung deutlich macht, ohne den Gedankengang zu unterbrechen. Beispiele: Nach Feststellung der formellen Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts: „Der Verwaltungsakt ist zudem auch materiell rechtswidrig, wenn...“ Nach Feststellung eines Nichtigkeitsgrundes für einen Vertrag: „Der Vertrag ist zudem auch nach § X nichtig, wenn...“ Nach Feststellung einer Grundrechtsverletzung durch ein Gesetz: „Das Gesetz leidet an einem weiteren Fehler, wenn...“ u. s. w.
Wie gestalte ich mein Hilfsgutachten am geschicktesten?
Es gibt auch hierfür keine festen Regeln, sondern nur einige Empfehlungen:
1. Um zu einem Hilfsgutachten überzugehen, stellen Sie zuvor klipp und klar das Ergebnis für die übergeordnete Frage – zum Beispiel die Fallfrage – fest. Sofern Sie nach dem Hilfsgutachten wieder ins Gutachten zurückzugehen haben, vergessen Sie dort nicht, das hier festgestellte Ergebnis für die weitere Prüfung wieder aufzugreifen.
2. Das Hilfsgutachten braucht keine pompöse eigene Überschrift, sondern läßt sich besser mit dem Zusatz „(Hilfsgutachten)“ in einer Überschrift markieren, die den Gegenstand des Hilfsgutachtens bezeichnet, also z. B. „Begründetheit (Hilfsgutachten)“.
3. Wählen Sie den Gegenstand Ihres Hilfsgutachtens so, daß es die aufgeworfenen Rechtsfragen abdeckt und sich zugleich ausreichend von dem Grund dafür entfernt, daß diese Rechtsfragen nicht im normalen Gutachten erörtert werden können. Ein Beispiel: Wenn eine Anfechtungsklage wegen Verfristung unzulässig ist, ist es in der Regel kein Problem, ein Hilfsgutachten über die Begründetheit zu schreiben; gedanklich könnten Sie dafür unterstellen, daß die Klage rechtzeitig erhoben worden ist (was Sie aber in Ihrer Klausur nicht ausführen sollten, da das Hilfsgutachten ja nicht dazu dient, einen anderen als den zur Prüfung gestellten Sachverhalt zu erörtern). Wenn aber eine Anfechtungsklage mangels Klagebefugnis unzulässig ist, würde das Problem der subjektiven Rechtsbetroffenheit des Klägers Sie in einem Hilfsgutachten über die Begründetheit vermutlich wieder einholen. Sie sollten das Hilfsgutachten dann besser von der Frage der Begründetheit lösen und auf die objektiv-rechtliche Überprüfung des Verwaltungsakts beschränken oder sogar noch enger die übriggebliebenen aufgeworfenen Rechtsfragen eingrenzen. Sie können auch mehrere Hilfsgutachten zu einzelnen aufgeworfenen Rechtsfragen hintereinanderstellen, ohne sie krampfhaft in einem hypothetischen Prüfungszusammenhang verbinden zu müssen.
4. Aber machen Sie sich mit solchen Überlegungen auch nicht verrückt: In aller Regel ist ein Hilfsgutachten eine ganz unkomplizierte Angelegenheit.
Sprachliches (nicht nur für das Öffentliche Recht)
Bedeutet „gleichsam“ das gleiche wie „gleich“?
Nein! Unter Studenten scheint ein semantischer Fehlgebrauch des Adverbs „gleichsam“ recht verbreitet zu sein: Manche verwenden es synonym mit „ebenso“, „ebenfalls“ oder „gleichermaßen“. Das heißt es aber nicht. „Gleichsam“ ist synonym mit „quasi“, relativiert eine Aussage also ins Uneigentliche, zu einem „so als ob“. Das ist zur Kennzeichnung einer bildhaften Aussage richtig und gut, aber nicht zum Ausdruck von Gleichheit.
Beispiele für den richtigen Gebrauch:
„Das Bundesverfassungsgericht ist gleichsam ‚Hüter der Verfassung‘.“
„Das Bundesverfassungsgericht ist gleichermaßen Gericht und Verfassungsorgan.“
Wird sich hier gewundert?
Passivkonstruktionen haben meist Nachteile gegenüber Aktivkonstruktionen.
Passivkonstruktionen sind sperrig: „Die Klage ist begründet, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt worden ist.“ vs. ... „und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt.“
Passivkonstruktionen können das handelnde Subjekt im ungefähren lassen: „In den Schutzbereich wurde eingegriffen.“ vs. „Die Beseitigungsanordnung greift in den Schutzbereich ein.“ Das kann natürlich auch ein Vorteil sein, wenn man eine unpersönliche Aussage machen will. Jedenfalls sollten Sie sich vor dem Gebrauch des Passiv kurz überlegen, ob und wie Sie dieselbe Aussage im Aktiv formulieren könnten.
Zumindest stilistisch unschön sind Passivkonstruktionen mit reflexiven Verben: „Es wird sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten bekannt.“ vs. „Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten."
Kann man es so als auch anders sagen?
Die Konjunktion „sowohl ... als auch" ist eine mehrteilige Konjunktion . Die beiden Teile können nicht ohne das jeweils andere stehen.
Also: Sowohl sowohl ohne als auch als auch als auch ohne sowohl sind falsch (die Anführungszeichen können Sie hier bitte selber einfügen). Anders gesagt: Sowohl als auch ohne sowohl als auch sowohl ohne als auch sind falsch (dito).
Laut Duden ist indirekte Rede im Konjunktiv wiederzugeben. Oder sei?
In der juristischen Arbeit kommt es häufig vor, daß die Aussage eines Dritten wiederzugeben ist, etwa der Vortrag eines Prozeßbeteiligten, die Feststellungen einer Behörde oder eines Gerichts oder eine in der Literatur vertretene Auffassung. Das geschieht dann selten in direkter Rede, sondern erfordert sehr häufig die indirekte Rede. Die meisten beherrschen das gut, aber die Erfahrung läßt es nicht überflüssig erscheinen, einige der Regeln dafür an dieser Stelle noch einmal zusammenzufassen:
1. Indirekte Rede muß im Zusammenhang erkennen lassen, wer da redet:
- „Der Kläger trägt vor, er sei Eigentümer der Sache.“
Hier darf man den Matrixsatz („Der Kläger trägt vor“) nicht weglassen. Sonst weiß der Leser nicht, wem er die indirekte Rede zurechnen soll. Anstelle eines solchen Matrixsatzes kann auch eine andere Hinführung den Redezusammenhang herstellen, bevor die indirekte Rede beginnt, etwa eine präpositionale Quellenangabe (s. u. 3.)
- „Nach Ansicht des Klägers liegen die Voraussetzungen eines Herausgabeanspruchs vor. Er sei...“.
oder ein einführender Satz wie
- „Der Kläger hat seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung ergänzt. Er sei...“.
Erst wenn der Redezusammenhang so einmal hergestellt ist und solange er dem Leser danach noch präsent genug ist, können isolierte Sätze in indirekter Rede folgen:
- ... „Die Sache sei ihm übereignet worden.“
In diesem Beispiel vergißt das wohl auch niemand. Gelegentlich kommt aber der Fehler vor, daß insbesondere bei der Wiedergabe von Auffassungen aus Literatur oder Rechtsprechung der Zusammenhang nicht explizit gemacht wird. Unvollständig ist insoweit die indirekte Rede in Fügungen wie dieser:
- „Der Tatbestand bedarf der Auslegung. Der Wortlaut sei eng zu verstehen.“(?)
Hier fehlt dem Text ein Hinweis darauf, wessen Aussage über den Wortlaut er wiedergibt. Eine Fußnote mit einem Beleg ersetzt dies nicht.
2. Daß indirekte Rede in der Regel den Konjunktiv I verlangt, weiß jeder. Der Konjunktiv drückt die Distanzierung des Autors von der wiedergegebenen Aussage aus:
- „Die Vertreter der Gegenauffassung wenden ein, daß diese Auslegung den Wortlaut des Tatbestands überdehne.“ (So ist klar, daß der Autor diese Aussage als fremde Aussage wiedergibt, seine eigene Auffassung dazu zumindest offenhält.)
Umgekehrt kann man die Aussage des Dritten aber auch im Indikativ wiedergeben, wenn man sie sich zueigen machen oder als allgemein anerkannt darstellen möchte:
- „Die Vertreter der Gegenauffassung wenden zu recht ein, daß diese Auslegung den Wortlaut des Tatbestands überdehnt.“ (So schließt sich der Autor der wiedergegebenen Aussage an, was hier durch die Bewertung „zu recht“ markiert ist.)
- „Die Vertreter der Gegenauffassung wenden ein, daß der Wortlaut des Tatbestands bei der letzten Gesetzesänderung unverändert geblieben ist.“ (So berücksichtigt der Autor, daß die wiedergegebene Aussage selbst unbestreitbar ist, unbeschadet verschiedener Schlüsse, die man daraus ziehen können mag.)
Übrigens kann bei Gebrauch des Konjunktivs die Konjunktion („daß“) weggelassen werden, bei Gebrauch des Indikativs nicht. Mit der Konjunktion entfällt dann auch die Inversion der Satzstellung:
- „Die Vertreter der Gegenauffassung wenden ein, diese Auslegung überdehne den Wortlaut des Tatbestands.“
Wenn sich die Formen des Konjunktiv I morphologisch nicht vom Indikativ unterscheiden, treten der Deutlichkeit halber an seine Stelle die Formen des Konjunktiv II:
- „Auch Systematik und Zweck der Norm sprächen dagegen.“
(Hier tritt der Konjunktiv II – „sprächen“ – ein, weil sich im Plural der Konjunktiv I – „sprechen“ – nicht vom Indikativ unterscheidet. Sonst aber nicht! Konjunktiv II statt Konjunktiv I ist ein häufiger Fehler. Alles, was man über den Konjunktiv wissen muß – und noch mehr –, ist wie so oft ganz schön bei Wikipedia nachzulesen.)
3. Von indirekter Rede zu unterscheiden ist die Wiedergabe der Aussage eines Dritten mit einer prä- oder postpositionalen Quellenangabe:
- „Nach Ansicht des Gerichts“... (präpositional)
- „Dem Gericht zufolge“... (postpositional)
In solchen Fügungen stellt die Quellenangabe selbst klar, wem die Aussage zuzurechnen ist. Eine zusätzliche Distanzierung durch einen Konjunktiv ist hier nicht korrekt, zumindest (soweit empirietolerante Germanisten sie zulassen) stilistisch unangenehm auffällig. Die immer wieder anzutreffende Verbindung einer prä- oder postpositionalen Quellenangabe mit indirekter Rede (etwa wie in „Nach Ansicht des Gerichts sei die Norm eng auszulegen.“) ist daher zu vermeiden. Jedenfalls richtig ist hier Indikativ:
- „Nach Ansicht des Gerichts ist die Norm eng auszulegen.“
Wer das sagt? Laut Duden ist hier der Indikativ zu verwenden, und nach Auskunft der Gesellschaft für deutsche Sprache hat er recht.
Was ist gegen das Wort „nichtsdestotrotz“ einzuwenden?
Es ist eine Verballhornung aus den Wörtern „nichtsdestoweniger“ und „trotzdem“. Es ist so viel wert wie „zum Bleistift“, „erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“, „Jottwehdeh “, „anno Dunnemals“, „hassenichjesehen“ oder „schießmichtot“. Wenn Sie solche Wendungen in fachsprachlichen Texten ebensowenig erwarten wie ich, vermeiden Sie sie. Auch wenn (bzw. obzwar, wiewohl oder obschon) das gräßliche „nichts-desto-hihi: trotz“ seit seinem Auftauchen vor über hundert Jahren leider in die Standardsprache einzudringen scheint (wie einer Erläuterung der GfdS zu entnehmen ist ), sollte man dazu nicht auch noch beitragen (siehe ebd. den letzten Satz). Wenn Sie schon eine kanzleideutsche Wortverbindung für ein konzessives Konjunktionaladverb suchen und Wörter wie „trotzdem“, „gleichwohl“ oder „dennoch“ nach Ihrem Geschmack zu wenige Buchstaben haben, dann verwenden Sie doch einfach das immerhin korrekt gebildete „nichtsdestoweniger“: Was dem folgt, ist um „nichts“ „weniger“ richtig als das, was vorausgeht. Aber auch damit bin ich lieber sparsam, trotz und alledem.
Das Wort „obig“ rangiert stilistisch ziemlich weit untig
„Oben“ und „unten“ sind sehr nützliche Adverbien, deren Bedeutung wir zum Beispiel in der Sesamstraße gelernt haben. In einem unglücklichen Moment der deutschen Sprachgeschichte fühlte sich jemand in der Verlegenheit, das Obensein in ein Eigenschaftswort zu fassen, und leitete aus dem Adverb „oben“ das Adjektiv „obig“ ab. Das ist mit Wortbildungsregeln noch erklärbar – man kennt ja leider auch „gestrige“, „heutige“ und „morgige“ Tage –, allerdings stilistisch schon fragwürdig, sonst müßten Sie auch „untig“ schön finden. Aber gar nicht mehr sinnvoll ist der Einsatz dieser Adjektivbildung als Adverb. Verweisen Sie in Hausarbeiten oder sonstigen – also anderen – Texten also bitte nicht nach „obig“ oder „untig“. Denn das Adverb kennen wir schon aus der Sesamstraße – siehe oben! Eben.
Lesen und Schreiben
Wie Recht schreiben?
Bitte entschuldigen Sie das simple Wortspiel in dieser Überschrift. Es geht hier um Rechtschreibung und Interpunktion. Das Medium des Rechtslebens ist die Sprache, von Rechtsprofis wird deshalb auch erwartet, daß sie auf die Rechtschreibung einschließlich Interpunktion ihrer Texte achten ... und so weiter und so fort – Sie haben oft genug gehört und gelesen, daß es jetzt keine Ausreden mehr gibt (sofern man in der Schule vielleicht noch damit durchgekommen sein sollte).
Mit dem Abitur wird Ihnen unterstellt, die Rechtschreibung zu beherrschen. Schade für Sie, wenn Sie am entscheidenden Tag leider krank zuhause waren? Nehmen Sie sich eine zweite Chance. Als Jurist sind Sie ja in der Lage, mit Regeln umzugehen. Also lernen Sie doch einfach die Regeln und wenden Sie sie an.
Etwas schwieriger ist es geworden, nachdem die Rechtschreibung vor ein paar Jahren zum Experimentierfeld für autoritäre Menschheitsbeglücker geworden ist. Das hätte keinen Schaden anrichten müssen, wenn nicht deutscher Untertanengeist flächendeckend seine Bereitschaft zu vorauseilendem Gehorsam bewiesen hätte. (Als Juristen könnten Sie sich diese Vorgänge im Hinblick auf die sozialpsychologischen Voraussetzungen einer stabilen Demokratie einmal durch den Kopf gehen lassen.) Als intelligente Menschen werden Sie mit den Folgen zurechtkommen.
Ihr Rechtschreibunterricht war wahrscheinlich an irgendeiner Variante der sogenannten „Reformschreibung“ orientiert, und Sie sind mit Texten großgeworden, die sich einen mehr oder weniger sprachsensiblen Reim darauf zu machen versucht haben. Wenn Sie hierfür Regeln suchen, finden Sie sie bei dem mit der Reparatur der gröbsten (wenn auch nicht aller) Reformfehler offiziell beauftragten Rat für deutsche Rechtschreibung in Form eines Regelwerks mit einer Wortliste ; empfehlenswert ist auch das darauf aufgebaute Portal korrekturen.de .
Wie Sie merken, muß man nicht unbedingt alles mitmachen. Wenn Sie eine einfachere und unverdorbene Rechtschreibung interessiert – die auch für Adepten der „neuen“ Rechtschreibung zumindest zur Orientierung für eine sinnvolle Ausnutzung der zahlreichen Spielräume nützlich ist –, dann sei Ihnen die „Normale deutsche Rechtschreibung“ von Theodor Ickler empfohlen (auch als Buch , auch bei uns).
Wie schreibt man nochmal „privili...“ ... „previle...“ ... „prividingsbums“ richtig?
Aus unerfindlichen Gründen schreiben geschätzt drei Viertel der Studenten das Wort „privilegieren“ falsch, meistens mit „i“, wo ein „e“ hingehört. Das ist gut für eine Abwandlung des Liedes „Dri Chinisin mit dim Kintribiß“ (etwa: ...„sißin if di Striß' ind priviligiertin wis“), aber schlecht für eine professionelle Verwendung dieses vom lateinischen privilegium abgeleiteten Fachausdrucks. Wie schaffen wir diese Rechtschreibhürde? Hier eine kleine Anleitung:
- ausatmen
- einatmen
- Wir konzentrieren uns mental auf das Wort „Privileg“.
- Wir fügen im Geiste die Endung "-ieren" in der passenden Flexion an und
- schreiben das Wort rasch hin, bevor wir es wieder vergessen.
- (Tip: Groß- oder Kleinschreibung folgt den normalen Regeln!)
- Fertig!
Studiere ich denn nicht an der "Martin - Luther Universität Halle–Wittenberg"?
Nein, Sie studieren an der „Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg“. Das klingt genauso, sieht aber anders aus. Achten Sie auf die Anführungszeichen, die Länge der Striche und die sie umgebenden Leerzeichen. Beim Schreiben mit der Hand – etwa in den Klausuren – ginge das in den Eigenarten Ihrer Handschrift weitgehend unter. Beim Schreiben mit dem Computer – wie bei Hausarbeiten – ist es eine Frage der richtigen oder falschen Typographie.
Falsche Typographie gehört zu einer neuen Form des Analphabetismus, die den heute für jedermann selbstverständlichen Gebrauch der elektronischen Textverarbeitung heimsucht. Leider kranken vielfach auch amtliche Texte daran. Sie aber sollten auch beim Schreiben professionell arbeiten. Für Ihre Hausarbeiten, Ihre Seminararbeiten und Ihre wissenschaftliche Abschlußarbeit sollten Sie sich dazu nicht nur mit Rechtschreibung und Interpunktion, sondern auch mit den Grundregeln ihrer korrekten typographischen Darstellung beschäftigen.
Eine gute Informationsbasis hierfür sind u. a. die Wikipedia-Artikel Viertelgeviertstrich (zu Bindestrich , Trennstrich und Ergänzungsstrich mit Verweisen auf den Geschützten Bindestrich und den bedingten Trennstrich , jeweils einschließlich Hinweisen zur Verwendung in der elektronischen Textverarbeitung) und Halbgeviertstrich (vor allem zum Gedankenstrich ) sowie Plenk (einschließlich Klemp ). Auch den Artikel zum „Deppen Leer Zeichen “ sollten Sie sich nicht entgehen lassen, wo die „Uni Halle“ auf einem Wegweiser in Wuppertal vorkommt.
Die Grundregeln der Typographie betreffen übrigens nicht nur Striche, sondern auch Formatierung und Layout. Sie sollten sich mit diesen Grundregeln vertraut machen – und auch damit, wie Sie sie in Ihrem Textverarbeitungsprogramm ordentlich umsetzen.