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Forschungsprojekt Qualifizieren für die Transformation

Qualifizieren für die Transformation – eine rechtssystematische Analyse und Weiterentwicklung arbeits- und sozialrechtlicher
Qualifizierungsinstrumente

Eine höhere Effektivität, Effizienz und Chancengerechtigkeit des deutschen Weiterbildungssystems kann nur durch die grundlegende Umstrukturierung zentraler Aspekte des Systems und eine deutliche Komplexitätsreduktion erreicht werden."1

Um Beschäftigte und Betriebe bei Transformationsprozessen am Arbeitsmarkt zu unterstützen und individuelle Qualifikationsdefizite zu beheben, besteht eine Vielfalt gesetzlicher Qualifizierungsinstrumente. Diese sind jedoch über verschiedenste Gesetze verstreut und nicht immer aufeinander oder auf ihre jeweilige Regelungsumgebung abgestimmt. Anstatt eines einheitlichen und übersichtlichen Systems sieht sich die Praxis mit einem nur schwer zugänglichen Normenkomplex konfrontiert.2

Vor dem Hintergrund der Umbrüche in Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft und den notwendigen Transformationsprozessen will das Forschungsprojekt einen Beitrag zu einer verbesserten Nutzbarkeit des Rechts der Qualifizierung und Weiterbildung leisten. Dazu wird zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme und systematische Analyse der bestehenden Rechtslage erfolgen. Die verschiedenen Weiterbildungsinstrumente sollen im Einzelnen untersucht und die rechtlichen und praktischen Probleme ihrer Inanspruchnahme herausgearbeitet werden. Die Ergebnisse sollen praxis- und handlungsorientiert dargestellt werden. Dies soll erstmals zu einer systematischen Gesamtdarstellung des Rechts der Qualifizierung führen.

Das ermöglicht es, regulatorische Defizite im Recht der Weiterbildungsförderung zu identifizieren, die zu einer unzureichenden Inanspruchnahme führen oder diese erschweren. Aufbauend hierauf sollen Vorschläge zur Optimierung und Systematisierung des Qualifizierungsrechts ausgearbeitet werden. Zielvorstellung ist ein reibungslos ineinandergreifendes Regelungssystem, das für jeden Bedarfsfall für alle Akteure ein einfach zugängliches, interessengerechtes Qualifizierungsinstrument bereithält.

Das Projekt wird durch die Hans-Böckler-Stiftung gefördert und ist mit einer zweijährigen Laufzeit angesetzt.

Projektleitung

Prof. Dr. Daniel Ulber

Mitarbeitende

Stephan Simon

Katharina Ruhwedel

Christoph Tolke

Till Staps

Arnold Arpaci

Praxisworkshop: „Recht und Wirklichkeit der Qualifizierung“

Unter dem Titel „Recht und Wirklichkeit der Qualifizierung“ veranstaltete das Forschungsprojekt am 14. Juni 2023 einen Praxisworkshop. Ziel war es, wichtige Impulse aus Wissenschaft und Praxis aufzunehmen. Hierzu waren drei Expert*innen eingeladen, deren Vorträge die Veranstaltung rahmten.

Einen ersten Blick auf die sozialrechtlichen Qualifizierungsinstrumente für Arbeitnehmende im laufenden Arbeitsverhältnis lieferte der Vortrag von Prof. Tim Husemann, Professor für Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Sozialrecht an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA) in Mannheim. Nach einer kurzen Vorstellung der bestehenden Förderinstrumente ging es Schwerpunktmäßig um das im Zuge des Weiterbildungsgesetzes geplante Qualifizierungsgeld und ein von Prof. Husemann entworfenes steuerfinanziertes Fördermodell. In der anschließenden Debatte wurde schnell klar, dass Recht und Wirklichkeit durchaus auseinanderfallen, was sich im späteren Verlauf des Nachmittags noch verdeutlichen sollte.

Im anschließenden Vortrag von Dr. Julian Lang vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wurde der Blick auf die Empirie der Weiterbildungsförderung gerichtet. In Ihrer Präsentation stellte sie umfassende Daten und Analysen zur Wirksamkeit und Inanspruchnahme der verschiedenen Förderinstrumente dar. Besonders wertvoll für das Projekt waren die Ergebnisse zu möglichen Hinderungsgründen, die individuellen Weiterbildungsvorhaben entgegenstehen können. Diese waren auch zentraler Gegenstand in der anschließenden Diskussion.

Der letzte Teil des Workshops befasste sich mit der „Qualifizierungsoffensive Chemie“. Jörg Kunkel, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt- und Qualifizierungspolitik der IG BCE, stellte das 2019 vereinbarte Modell der Tarifpartner in der chemischen Industrie vor. Er betonte die Relevanz eines guten Dialoges zwischen den Vertretungen der Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen.

„Welche Folgen hat dies alles nun für das Arbeits- und Sozialrecht?“ Mit dieser Frage leitete Prof. Ulber die Abschlussdiskussion ein. Die Beteiligten einigten sich auf die wichtige Rolle kollektiver Interessenvertretung, um den massiven Qualifizierungsbedarf zu bewältigen. Die Redebeiträge zeigten, dass es durchaus umfassende gesetzliche Regelungen, in der Umsetzung aber erhebliches Verbesserungspotential gibt. Auch trägt die aktuelle Unübersichtlichkeit des Qualifizierungssystems nicht zu einer erhöhten Nachfrage nach Weiterbildung bei. Deutlich wurde zudem, dass es sowohl auf Seiten der Arbeitnehmer*innen als auch der Arbeitgeber*innen oftmals an Wissen um zukünftige Qualifizierungsbedarfe fehlt und nur eine geringe Bereitschaft zur Weiterbildung besteht. Als möglicher Lösungsansatz wurde hier ein Ausbau der Beratungstätigkeiten der Bundesagentur für Arbeit diskutiert.

Franz Kluge

Josephine Ende

Paul Geißler

Stephan Simon

Neue Forschungserkenntnisse im aktuellen Working Paper, herausgegeben mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung

Das Forschungsprojekt hat über die Hans-Böckler-Stifung ein erstes Working Paper    veröffentlicht.

Auf einen Blick:
Die Transformation der Arbeitswelt stellt neue Herausforderungen an Qualifizierung und Arbeitsmarktpolitik. Das Weiterbildungsgesetz der Ampel-Regierung soll dem begegnen und enthält einige entscheidende Neuerungen für das Sozialrecht. Teil hiervon sind die "Ausbildungsgarantie", das Qualifizierungsgeld und der Ausbau der Weiterbildungsförderung nach § 82 SGB III. Das Working Paper stellt die neuen Regelungen vor, ordnet sie rechtspolitisch ein und misst sie kritisch an den formulierten Gesetzeszielen.

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