Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Seminarankündigung WS 2012/13

Seminar Schwerpunktbereich „Forensische Praxis“

"Von der Lizenz des Lizentiaten zur Staatsprüfung des Assessors. Das Jurastudium zwischen Scholastik und Moderne."

Eine Vorbesprechung findet am Dienstag, den 10. Juli 2012, 18.15 Uhr, in der Rechtsgeschichtlichen Bibliothek (Universitätsring 4, EG) statt.

Kurzbeschreibung

Die Juristische Fakultät mit ihren Studenten  und Lehrern gehört zur Grundausstattung der ältesten Universitäten in  Europa, beginnend mit Bologna im 12. Jh. Seit seinen Anfängen hat sich  das Jurastudium mannigfach verändert. Dennoch können bestimmte  Kontinuitätslinien beobachtet werden, z. B. das Ringen um einen  wissenschaftlichen Anspruch, das mehr oder weniger stark ausgeprägte  Verhältnis von theoretischer Qualifikation und praktischer Ausbildung,  die Beziehungen zwischen Universität, Wissenschaft und  Herrschaftsträgern (Kirche, Landesherren, Städte, Königtum, Staat etc.),  das Wechselspiel von Inhalten und Methoden, die Kompatibilität über  territoriale Grenzen hinweg, der zwingende Zusammenhang mit Sprache usw.

Das Seminar will einige der damit verbundenen Aspekte näher  betrachten. Ausgangspunkt bildet das scholastisch geprägte Studium in  Oberitalien zwischen dem 12. und 15. Jh. Sodann sind die Veränderungen  unter dem Einfluss des Humanismus aufzuzeigen. Diese Geistesströmung  trug u. a. die Gründung und Entwicklung der Universität Wittenberg. In  der frühen Neuzeit erfolgte eine erhebliche Annäherung des Jurastudiums  an den Staat, wobei auch die Juristenfakultät der Reformuniversität  Halle eine wichtige Rolle spielte.

Es sind die Studieninhalte der verschiedenen Zeiträume ebenso zu  betrachten wie das Ringen um die Methoden für die Darstellung des  immensen Stoffes und dessen Aneignung durch die Studenten. Im 19. Jh.  brach sich die juristische Staatsprüfung Bahn, die heute noch das  Jurastudium in Deutschland bestimmt. Sonderentwicklungen des 20. Jh.  (Jurastudium im Nationalsozialismus und in der DDR) werden ebenso zur  Sprache kommen wie die Anfänge des Frauenstudiums und das Referendariat.  Auch studentisches Alltagsleben mit seiner besonderen Sprache und  seinen merkwürdigen Ritualen werden betrachtet. Am Ende sollen die  Teilnehmer(innen) einen Überblick über die Herkunft und Entwicklung des  von ihnen gewählten Studienfaches, eingebettet in die allgemeine  Universitätsgeschichte, haben.

Themen (Auswahl)

  1. Am Anfang war Bologna. Die Anfänge des Jurastudiums auf dem europäischen Kontinent;
  2. Humanismus und Jurastudium (vor allem an der Universität Wittenberg);
  3. licentiati und doctores. Akademische Grade für Juristen;
  4. Anfänge des Frauenstudiums;
  5. Der „Rechtswahrer“: Die Eckhardtsche Studienreform im Nationalsozialismus;
  6. Der „Diplom-Jurist“: Jura in der DDR;
  7. Fallstudie I: Das Studium der Rechte an der Universität Wittenberg im 16. Jh.;
  8. Fallstudie II: Das Studium der Rechte an der Universität Halle im 18. Jh.;
  9. Der juristische Fächerkanon des usus modernus pandectarum (16.-18. Jh.);
  10. Der juristische Fächerkanon im bürgerlichen Zeitalter (19. Jh.);
  11. Flankierende Lehrinhalte auf dem Weg zu einer komplexen Moderne: Forensische Psychologie, Rechtsmedizin, Juristische Enzyklopädie, Methodologien des Rechts; Naturrecht und Rechtsphilosophie u.a.
  12. „Pandektenhengst“, „Paragraphenreiter“ und weitere Schimpfwörter für Jurastudenten und Juristen;
  13. Dichterjuristen: Karl Leberecht Immermann; Friedrich von Hardenberg (Novalis)
  14. Schönfelders Erfindungen: Die Loseblattsammlung „Deutsche Gesetze“ und die Reihe „Prüfe Dein Wissen“.

Literatur (Auswahl)

  • K. H. Burmeister: Das Studium der Rechte im Zeitalter des Humanismus im deutschen Rechtsbereich, Wiesbaden 1974;
  • H. Coing:  Die juristische Fakultät und ihr Lehrprogramm, in: ders. (Hg.): Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1, München 1973, S. 39-128;
  • ders.: Die juristische Fakultät und ihr Lehrprogramm, ebd., Bd. 2, München 1977, S. 3-102;
  • R. Frassek:  Die nationalsozialistische Studienreform in Halle, in: H. Lück/A.  Höland (Hg.): Die Rechts- un Staatswissenschaftliche Fakultät der  Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Nationalsozialismus, Halle 2011, S. 95-109;
  • J. Fried:  Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jh. Zur Stellung und politischen Bedeutung gelehrter Juristen in Bologna und Modena, Köln/Wein 1974;
  • L. Jelowik: Tradition und Fortschritt. Die hallesche Juristenfakultät im 19. Jahrhundert, Köln u.a. 1999;
  • P. Landau: Bologna. Die Anfänge der europäischen Rechtswissenschaft, in: A. Demandt (Hg.): Stätten des Geistes. Große Universitäten Europas von der Antike bis zur Gegenwart, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 59-74;
  • H. Lück: „Studium chursächsischer Gesetze nahm alle meine Zeit weg.“ Juristische Ausbildung und rechtspraktische Tätigkeit Friedrich von Hardenbergs  (1772-1801), in: ZRG GA 128 (2011); S. 391-412;
  • ders.: Zwischen modus legendi und modus vivendi. Ein Beitrag zur Geschichte des Rechtsunterrichts an der Universität Wittenberg im Reformationsjahrhundert, in: Festschrift für Jan Schröder (im Druck);
  • F. Schmerbach: Das „Gemeinschaftslager Hanns Kerrl“ für Referendare in Jüterbog 1933-1939, Tübingen 2008;
  • J. Schröder: Recht als Wissenschaft. Geschichte der juristischen Methodenlehre in der Neuzeit (1500-1933), 2. Aufl., München 2012.

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