Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Dr. Timo Faltus erhält Promotionspreis 2015 des Freundesvereins der Juristischen Fakultät

Dissertationspreis 2015 an Timo Faltus für seine Untersuchung zum Recht der Stammzellreprogrammierung verliehen

Auch in diesem Jahr hat der Freundeskreis der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg den Preis für die beste Promotion verliehen. Aus den insgesamt 5 Dissertationen, die im Jahr mit der Bestnote summa cum laude abgeschlossen wurden, hat der Vorstand auf Vorschlag des Kuratoriums die Dissertation von Timo Faltus zum Thema „Stammzellenprogrammierung – Der rechtliche Status und die rechtliche Handhabung sowie die rechtssystematische Bedeutung reprogrammierter Stammzellen“ ausgewählt.

Der Preisträger hat sowohl Biologie als auch Jura in Frankfurt am Main studiert. Er kam danach hierher nach Halle/Leipzig und war neben seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Winfried Kluth im Rahmen eines gemeinsamen Verbundprojektes am Translationszentrum für Regenerative Medizin (TRM) in Leipzig tätig.

Auf knapp 1000 Seiten wird in der Dissertation ein komplexes interdisziplinäres Thema an der Schnittstelle zwischen medizinisch-biologischen Grundlagen und daran anknüpfenden rechtswissenschaftlichen Fragestellungen, im Bereich von Medizin, Ethik und Recht grundlegend erforscht.

Die Stammzellenforschung ist seit vielen Jahren von großem Interesse für die Medizin. Diese verspricht sich durch deren gezielte Nutzung die Entwicklung neuer Therapien für bislang nicht oder nicht ausreichend therapierbare Erkrankungen wie beispielsweise Arthrose, Diabetes oder Parkinson, wobei es sich um Erkrankungen handelt, die aufgrund des demographischen Wandels zukünftig absolut zunehmen werden. Es ist jedoch bislang schwierig, für therapeutische Zwecke ausreichend Stammzellen aus einem geborenen Menschen überhaupt gewinnen zu können, weil diese dort in lediglich geringer Zahl vorkommen und zudem nur unter Zuhilfenahme komplexer Verfahren überhaupt aufgespürt und gewonnen werden können.

Bislang hatten daher auch Stammzellen aus frühen Embryonen, so genannte embryonale Stammzellen, eine wesentliche Bedeutung für Forschung und Entwicklung. Diese werden aus frühen „im Reagenzglas erzeugten“ Embryonen gewonnen, wobei der Embryo circa vier bis sieben Tage nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle zerstört wird. Dieses Verfahren liefert zwar gezielt die benötigten Stammzellen, ist aber in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz verboten. In anderen Ländern ist es zum Teil erlaubt, aber ethisch umstritten, weil schon diesen frühen Embryonen eigene Rechte wie einem bereits geborenen Menschen zugesprochen werden.

Seit einer Entdeckung im Jahr 2006/2007 wird ein Ausweg aus dem bislang ungelösten Dilemma zwischen dem Status früher humaner Embryonen und den therapeutischen Möglichkeiten mittels humaner embryonaler Stammzellen gesehen. Die gezielte Erzeugung von Stammzellen, die ähnliche, wenn nicht sogar die gleichen Eigenschaften wie humane embryonale Stammzellen haben, werden jetzt nicht mehr aus Embryonen, sondern aus Zellen des geborenen Menschen gewonnen. Die Entwicklung dieser Technik zur Erzeugung von reprogrammierten Stammzellen (iPS-Zellen für induced pluripotent stem cells) gilt als so revolutionär, dass dem japanischen Wissenschaftler Shin’ya Yamanaka für diese Entdeckung bereits im Jahre 2012 der Nobelpreis für Medizin verliehen worden ist.

Mit der Konsolidierung dieser Forschung werden aber zugleich die technischen Herausforderungen sowie die wahrscheinlichen Anwendungsgebiete sichtbar. Diese werden in der Arbeit von Faltus aus dem Blickwinkel und an der Schnittstelle von zwei Wissenschaftsbereichen untersucht. Die Arbeit trägt außerdem zur Verständigung zwischen den Disziplinen aus dem Bereich der Natur- und Rechtswissenschaften bei und ermöglicht einen deutlichen leichteren Erkenntniszugang für die juristische Fachwelt. Die seit mehreren Jahrzehnten geführte Debatte um den moralischen und rechtlichen Status von Embryonen wird gründlich „aufgerollt“ und es wird aufgezeigt, wo die argumentativen Grenzlinien zwischen den verschiedenen grundsätzlichen Positionen verlaufen. Es geht Faltus insbesondere um die Klärung der grundsätzlichen rechtlichen Einordnungsfragen betreffend Rechtsstatus und Verkehrsfähigkeit von Zellen, reprogrammierten Stammzellen und sonstigen redifferenzierten Entitäten mit der Besonderheit, dass „Körpermaterial“ erneut extern neu programmiert und wieder „eingesetzt“ wird sowie um die Problematik der Aufklärung und Einwilligung sowie der rechtlichen Steuerung dieser Entwicklung nebst den Rechtsfragen um Verantwortung und Schutzbedarf. Weiter behandelt er den gesetzgeberischen Handlungsbedarf vor dem Hintergrund der schnellen wissenschaftlichen Entwicklung mit den Stichworten Grundrechtsschutz einerseits und wirksamer Rechtsrahmen für Forschung und Entwicklung andererseits.

Die zusammenfassende Bewertung der Arbeit lautet: „Es handelt sich bei der Arbeit im besten Sinne des Wortes um eine Pionierarbeit, weil die Thematik erstmalig konsistent interdisziplinär erschlossen wird.“

Bei der Preisverleihung hat der Vorsitzende des Freundeskreises VorsRiLAG Dr. Josef Molkenbur darauf hingewiesen, dass die rechtliche Behandlung dieser komplexen Problematik weltweit nicht einheitlich erfolgt. Einerseits sei es gerade bei Erkrankungen sehr hilfreich, wenn aufgrund dieser Entwicklung notwendige medizinische Maßnahmen möglich seien. Andererseits könne das Leben dadurch durchaus komplizierter werden. Die Verantwortung, die getragen werden müsse, werde größer. Die Akzeptanz, einen gegenwärtigen Mangelzustand zu ertragen, werde kleiner. Der Wunsch nach Veränderung wachse. Einschränkende Kostenaspekte würden nicht mehr ohne weiteres akzeptiert. Der Anspruch auf allmächtige Veränderung steige. Die Bereitschaft, die biologische Realität hinzunehmen, werde geringer. Auch in diesem Kontext leiste die Dissertation von Faltus einen wichtigen Beitrag für die Wahrnehmung der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Verantwortung bei der Begleitung dieser Entwicklung.

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